Leben des Analytikers Reich brav erzählt

Klaus Maria Brandauer überzeugt als Hauptdarsteller, die Lehre des Sexualforschers kommt zu kurz.

Er hat sich nicht zufrieden gegeben mit dem Sichtbaren, das die Naturwissenschaft beweisen kann. Damit eiferte der österreichische Psychoanalytiker Wilhelm Reich seinem Vorbild Sigmund Freud nach, der mit seinen Theorien auch das Feld der Fakten verlassen – und damit der Wissenschaft von der Psyche echtes Neuland eröffnet hatte. Doch Wilhelm Reich beließ es nicht bei der Fortentwicklung Freudscher Ideen. Radikaler noch als der Begründer der Psychoanalyse versuchte er, Einsichten in die menschliche Psyche mit gesellschaftspolitischen Ideen zu verknüpfen. Der aus Galizien stammende Jude Reich war Kommunist; als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, emigrierte er in die USA, versuchte seine Lehre dort auszubauen, verstieg sich immer mehr in seine Theorien von einer kosmischen Energie. Die nannte er Orgon und versuchte, sie in einer silbernen Kiste zu bündeln. Schon in Österreich hatte sich Reich als Sexualforscher und Therapeut einen Namen gemacht – und war angeeckt. In den USA musste sich der Emigrant bald vor Gericht verantworten. Und weil er sich störrisch zeigte, auf der Freiheit seiner Forschungen bestand, landete er schließlich für zwei Jahre im Gefängnis. Dort starb er mit 60 Jahren an einem Herzinfarkt.

Vor allem von dieser letzten Etappe im Leben des umstrittenen, aber in seiner Originalität und Beharrlichkeit auch faszinierenden Forschers erzählt Antonin Svoboda in "Der Fall Wilhelm Reich". Entstanden ist ein braves Biopic, das aus den 50er Jahren in den USA erzählt, und sowohl die Gerichtsverhandlungen gegen Reich wie auch Rückblenden nutzt, um das bewegte Leben des Psychiaters zusammenzubauen. Weil Klaus Maria Brandauer die Hauptrolle übernommen hat, ist ein fesselndes Porträt entstanden. Brandauer kann Interesse, ja sogar Anteilnahme wecken für charismatische Menschenfreunde wie Reich. Alles Sperrige, Fragliche an diesem Mann erscheint dann wie der Preis für seine Unbeirrbarkeit als Forscher. Und Julia Jentsch als Reichs Tochter Eva ist ihm mit ihrem hübsch versonnenen Spiel eine gute Partnerin.

Doch obwohl sich Svoboda auf die Zeit Reichs in den USA konzentriert, wirkt die Lebenserzählung zu wenig auf das Wesentliche konzentriert. Gern hätte man mehr über Reichs Lehre und seine Zeit in Europa erfahren als über manchen Winkelzug in den Gerichtsverfahren. So verlässt man das Kino, angeregt, sich einmal mit Reich zu beschäftigen. Der Film selbst vermittelt kaum Erkenntnisse über seine Lehre, er ist zu sehr mit der Nacherzählung eines Lebens beschäftigt.

(RP)
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