Die besten Filme aller Zeiten Platz 5: Kieslowskis "Drei Farben"

Düsseldorf · Drei Filme über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - und über die Liebe. Der polnische Regisseur Krzysztof Kieslowski war ein Meister der Auslassung und der Andeutung.

Nichts ist gefährlicher für die Kunst, als mit einem abstrakten Konzept zu beginnen. Etwa mit der seltsamen Idee, drei Filme in die drei Farben der französischen Flagge zu tauchen und auch noch von den hohen Idealen der französischen Revolution handeln zu lassen. Der polnische Regisseur Krzysztof Kieslowski (1941-1996) hat diese Verrücktheit unternommen. Er hatte schon vorher die Zehn Gebote in zehn einstündige Filme verwandelt - und es ist das Grandiose an diesem Regisseur, dass er solche Konzepte in leidenschaftlichen Geschichten verbergen konnte. Seine Filme sind keine Konstrukte, keine Kopfgeburten, sondern tragische, verschmitzte, anrührende Stoffe. Zugleich berühren sie etwas sehr tief im Menschen, das ist ihre Eigenart. Als sei der abstrakte Gehalt dieser Werke ein glühender Kern, der durch die Bilder hindurch scheint.

Der traurigste Film der Reihe ist "Blau". Juliette Binoche spielt darin Julie, eine Musikerin, die bei einem Unfall ihr einziges Kind und ihren Mann verliert, einen berühmten Komponisten. In anderen Filmen beginnt nun die Trauerarbeit, bei Kieslowski dagegen folgt ein radikaler Bruch. Julie verlässt ihr altes Leben, zieht allein nach Paris, kappt alles Kontakte. Radikale Freiheit. Ihren Schmerz heilt sie so nicht. Erst als sie wieder Berührungen mit dem Vergangenen zulässt, kann sie kreativ sein, komponieren, wieder leben und wieder lieben.

Der Film ist pathetisch, da hat Kieslowski keine Scheu. Er ist opulent wie die Symphonie, die im Lauf der Geschichte entsteht, und das alles kann einem zu viel sein, zu dick, zu schwer. Doch so ist das mit der Trauer, sie ist immer zu groß für den Menschen, davon erzählt dieser Film.

Dagegen ist "Weiß" ein Schelmenstück. Ein Pole in Paris wird von seiner Frau, der stolzen Julie Delpy verlassen. Das Leben in der Fremde hat ihn impotent gemacht. Er kehrt zurück in die Heimat, kommt zu Geld und inszeniert seinen Tod, um seine Frau zu sich zurück zu locken. Der Film erzählt von Abhängigkeit, von der Ungleichheit zwischen Liebenden. Und er schaut von Frankreich nach Polen und zurück, erfasst die Gefälle innerhalb Europas, ohne die Verhältnisse je zu beklagen.

Kieslowski war ein Meister der Auslassung und der Andeutung. Und so führt er in "Rot" die Episoden auch spielerisch zusammen. Alle Hauptfiguren sind Überlebende eines Fährunglücks im Ärmelkanal. Doch bis sie triefend an Land gehen, wird erst das Fotomodel Valentine einen alten Richter kennenlernen, der sich abgewandt hat von der Welt. Kontakt nach außen hält er nur, indem er Telefongespräche seiner Nachbarn belauscht. Irène Jacob ist die junge Schöne, die sich vom Weltekel des Alten anrühren lässt. Den spielt Jean-Louis Trintignant - und Kieslowski inszeniert mit diesem Paar ein virtuoses Stück über das Verstehen, Entfremden und Verpassen im Leben.

Die Farben-Trilogie sollte Kieslowskis Vermächtnis werden, zwei Jahre nach Vollendung ist er gestorben. Mit heiligem Ernst hat er seine Filme gedreht, hat sie aufgeladen mit Konzepten und Symbolen - und dem Zuschauer anvertraut.

Online Was hält Alain Bieber, neuer Chef des Museums NRW-Forum in Düsseldorf von Kieslowskis "Farben"-Trilogie? Ein Video-Interview im Internet unter: www.rp-online.de/krings100

(RP)
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