Film-Kritik Zwei ungleiche Schwestern: Was ist wichtig?

Haben sich zwei Schwestern etwas zu sagen, die ein komplett unterschiedliches Leben gewählt haben? Die eine voller Luxus mitten in Paris, die andere eher einfach in der französischen Provinz, krachen eines Tages ihre Existenzen aufeinander. Und die kühle, schicke, von der anderen bewunderte Pariserin gerät unvermittelt in die zweite Reihe. Denn Glamour ist nicht alles...

Zwei ungleiche Schwestern
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Foto: Arsenal

Louise (Catherine Frot) kommt aus Le Mans ind die Haupstadt, ihre Erwartungen sind riesig. Martine (Isabelle Huppert) hingegen lebt in der französischen Metropole lustlos in einer desolaten Ehe. Die beiden Frauen sind Schwestern, die ganz verschiedene Wege an ganz verschiedenen Orten eingeschlagen haben. Der Besuch von Louise bei Martine konfrontiert die Schwestern mit der Fremdheit zwischen ihnen, mit den Hoffnungen von Louise und der Enttäuschung von Martine. Wenn sie sich am Ende am Bahnhof verabschieden, werden sie mehr voneinander wissen.

Das klingt nicht sonderlich aufregend und ist doch ein wunderbarer Film, den der Besucher glücklicher und besinnlich verlässt. "Zwei ungleiche Schwestern" ist der Titel der französischen Produktion, geschrieben und inszeniert von Alexandra Leclère. Die junge Regisseurin gibt ein überzeugendes Kinodebüt, das allerdings nicht vorstellbar wäre ohne die beiden Hauptdarstellerinnen: Die stets großartige Isabelle Huppert verkörpert die im großbürgerlichen Pariser Milieu dahinwelkende Martine, die in Deutschland noch kaum bekannte Catherine Frot spielt sehenswert eine Provinzkosmetikerin mit literarischen Ambitionen.

Frot ist eine hinreißende Komödiantin, die in dem Film ein liebenswerter Elefant im Porzellanladen ist. Doch man nimmt ihr auch ab, ein bewegendes Buch über ihre späte große Liebe geschrieben zu haben. Es ist nicht leicht, neben einer Ausnahmedarstellerin wie der Huppert zu bestehen, umso bemerkenswerter ist es, welche Vitalität Frot ihrer Figur Louise gibt. Martine hingegen, die einst in die Weltstadt gezogen war, um ihr Glück zu finden, ist rundum enttäuscht vom Leben. Das ist ihr ins Gesicht geschrieben, und niemand kann das so glaubwürdig auf der Leinwand zeigen wie Isabelle Huppert. Sie kann viele Gesichter haben, aber das einer frustrierten Frau am besten.

Männer spielen nur untergeordnete Rolle

Natürlich, und der Filmtitel deutet es an, kommt es zu Spannungen, Missverständnissen und auch Zank zwischen den "ungleichen Schwestern". Denn diese Louise stellt mit ihrer Unbekümmertheit das erstarrte Leben von Martine in Frage. Isabelle Huppert charakterisiert das Problem ihrer Figur so: "Martine verfügt über alle Zeichen des Erfolgs: Sie hat Geld, ist elegant gekleidet, wohnt in einer großen Wohnung - doch sie konnte sich nie verwirklichen, und durch den Kontakt mit ihrer Schwester wird ihr das schnell und schmerzhaft bewusst."

Männer spielen in dem Film nur eine untergeordnete Rolle: Pierre, der Mann von Martine, ist ein unzufriedener Zeitgenosse, der die Zurückweisung im Ehebett beim Sex mit Martines bester Freundin Sophie kompensiert, einer ebenfalls verheirateten Frau. Man vertreibt sich in diesem gehobenem Milieu ein wenig die Zeit, weiß aber nicht so recht warum und wofür. Der verwunderte Blick von Louise auf das alles ist auch der des Zuschauers.

Ob Martine aus diesem komfortablen Käfig herauskommen wird, ist beim Abschied der Schwestern nicht klar, aber immerhin möglich. Wie die Huppert das wortlos nur mit ihrer Mimik vermittelt, ist ganz große Schauspielkunst. Neugieriger wäre man allerdings auf den Mann, der die verliebte Louise zu ihrer literarischen Glanzleistung motiviert hat. Er wartet in der Provinzstadt auf sie, das Kino wartet auf mehr Filme, die so gut unterhalten und anrühren wie dieser.

(ap)
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