Film-Kritik Zuhause am Ende der Welt: Weg nach Woodstock
Eng und miefig ist die Welt der 60er Jahre in den amerikanischen Vororten, wo sich die Menschen der Illusion von Freiheit mit wilden Partys und Rockmusik hingeben. Den schützenden Rahmen bürgerlicher Konventionen verlassen sie dabei natürlich nie. Theaterregisseur Michael Mayer gelang mit "Ein Zuhause am Ende der Welt" eine hervorragende Romanverfilmung der Vorlage von Pulitzerpreisträger Michael Cunningham.
Für den Hauptdarsteller Bobby ist es eine Welt voller Rätsel, bei deren Lösung ihm sein 16-jähriger rebellischer Bruder hilft. Bei ihm findet er mit seinen sieben Jahren Zuneigung und Verständnis, ja sogar einen ersten Blick auf Drogen und Sex. Als Carlton auf tragische Weise vor Bobbys Augen ums Leben kommt, beginnt für den Heranwachsenden eine lange Suche nach Geborgenheit und dem richtigen Platz im Leben.
Auf der Highschool lernt Bobby den Außenseiter Jonathan kennen und übernimmt ihm gegenüber die Vorbildrolle seines verstorbenen Bruders. Zwischen den beiden Teenagern entwickelt sich auch in sexueller Hinsicht eine intime Freundschaft, die Bobby in eine neue Familie und ein zunächst geborgenes Leben führt. Doch die Wege der beiden trennen sich.
Erst als Erwachsene treffen sie sich Anfang der 80er Jahre wieder, diesmal in New York, wo Jonathan (Dallas Roberts) inzwischen in einer platonischen Beziehung mit der extravaganten Clare (Robin Wright Penn) lebt und Bobby (Colin Farrell) bei sich einziehen lässt. Als Clare von Bobby schwanger wird, übersiedeln die drei nach Woodstock, um dort in ländlicher Idylle und an dem Ort, wo das Lebensgefühl ihrer Generation ihren Ausdruck fand, ihren eigenen Traum von Familienglück zu verwirklichen.
Mayer schuf mit seinem Leinwanddrama einen melancholischen Blick auf die Beziehungen dreier Menschen und ihr Bedürfnis, konventionelle Grenzen zu überschreiten, ohne jedoch die Sicherheit familiärer Geborgenheit vermissen zu müssen. Die gewohnte Sentimentalität des amerikanischen Mainstreamkinos verneinend wird die Geschichte dennoch sehr einfühlsam erzählt und mit kraftvollen, kontrastreichen Bildern untermalt. Der Film von Mayer und dem Produzenten und Schauspieler Tom Hulce ist ein gelungenes Beispiel des amerikanischen Independent-Films.
Glücklicherweise hat der Regisseur darauf verzichtet, sein Werk mit den üblichen Songs aus der Zeit der Erzählspanne zu überfrachten. Trotzdem bringen der Soundtrack und die geschickte Bildmontage die Stimmung dieser bewegenden Jahrzehnte auf die Leinwand zurück. Auch und vor allem ist es den exzellenten und namhaften Darstellern mit ihrer unaufdringlichen Gestaltung der Charaktere zu verdanken, dass das Gefühlsstück nicht zu einem Rührstück wurde. Besonders die immer stärker werdende Popularität des "Alexander"-Darstellers Colin Farrell könnte der Independent-Produktionen an den Kinokassen nutzen.