Kino-Kritik Wütende Blödelei

Düsseldorf (RP). "Halte Dich an die Konventionen und sei originell!" Diesen paradoxen Rat gibt uns Hollywood immer wieder. Die teils romantische, teils vulgäre Komödie "Blind Wedding" glaubt an die große Liebe. Aber wie der Held Anderson (Jason Biggs) seine wild brennende Liebe in bürgerliche Ehesolidität verwandeln möchte, das endet in der Katastrophe.

 Seinem offensichtlichen Vorbild "Verrrück nach Mary" kann die Komödie "Blind Wedding" nicht das Wasser reichen.

Seinem offensichtlichen Vorbild "Verrrück nach Mary" kann die Komödie "Blind Wedding" nicht das Wasser reichen.

Foto: Warner

Anderson will im Moment der Konventionsbefolgung zeigen, dass er etwas ganz Besonderes ist. Seine Heiratsantragszeremonie gerät derart außer Kontrolle, dass im Regiedebüt des US-Komikers Michael Ian Black die Erwählte bald tot am Boden liegt. Was Anderson, der von der Erinnerung an die Geliebte nicht lassen kann, später unternimmt, um seinen Freunden das Sinnlose aller weiteren Liebesversuche klarzumachen, ist ebenso grotesk, eine Pervertierung gängiger Edelschnulzen.

Vorbild "Verrückt nach Mary"

Er bittet die ihm wildfremde Kellnerin Katie (Isla Fischer) um ihre Hand. Und die sagt Ja. Dagegen ist selbst Speed Dating Romantikschwulst aus idealistischer Vorzeit. Für die Flitterwochen, die nun folgen, hat "Blind Wedding" Prügel von der Filmkritik bezogen. Die beiden Hauptfiguren besäßen kaum Persönlichkeit, weshalb Black seinen Film einer Riege karikaturenhafter Nebenfiguren ausliefere, Katies prolligem Vater etwa, der fröhlich seine Sozialschäden auslebt. Die Komödien der Farrelly-Brüder wie "Verrückt nach Mary" seien hier Vorbild, würden aber nicht erreicht.

Stimmt alles durchaus. Aber es fragt sich, ob Black, Jahrgang 1971, nicht sehr bewusst ein Pärchen ohne klare Werte in ein Zoogehege voller Typen ohne Hemmungen wirft. Sein Film, in dem ein sorgender Vater dem Sohn als Familienerbstück nicht den Verlobungsring der Urgroßmutter weitergibt, sondern den eigenen Cock Ring, einen erektionsverstärkenden Blutstauring also, stänkert wohl sehr bewusst gegen die Hochzeits- und Wohlstandsidyllen, die Hollywood uns in der Ära von George W. Bush so gern geliefert hat.

In "Blind Wedding" stolpert Jason Biggs als Zwitter aus Rüdheit und Empfindsamkeit durch ein Amerika, das an allen Ecken und Enden eine Geisterbahnvariante der von Bushs Redenschreibern beschworenen Familienwerte bietet. Das ist dramaturgisch nicht immer gelungen, aber mit seiner hinter Blödeleien hervorblitzenden Wut interessant. In USA kam "Blind Wedding" verdächtigerweise gar nicht erst ins Kino.

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