"Wolfsburg" - Katastrophenfilm der anderen Art

Frankfurt/Main (rpo). Die niedersächsische Industriestadt Wolfsburg ist ein Kultort der Arbeit, die Heimatadresse von Volkswagen. Doch Wolfsburg als Ort einer Tragödie, als Kulisse für einen Spielfilm - darauf musste erst einer der begabtesten deutschen Filmemacher der mittleren Generation kommen, Christian Petzold.

<P>Frankfurt/Main (rpo). Die niedersächsische Industriestadt Wolfsburg ist ein Kultort der Arbeit, die Heimatadresse von Volkswagen. Doch Wolfsburg als Ort einer Tragödie, als Kulisse für einen Spielfilm - darauf musste erst einer der begabtesten deutschen Filmemacher der mittleren Generation kommen, Christian Petzold.

Ganz einfach "Wolfsburg" ist dann auch der Titel von Petzolds neuem Film, der nach seiner Uraufführung bei der Berlinale im Februar ab 25. September in die Kinos kommt. "Wolfsburg" zählt zu den wenigen TV-Produktionen, die unbedingt die Auswertung auf der großen Leinwand verdient haben. Denn Petzold, der auch das Drehbuch verfasst hat, ist eine beklemmende Tragödie gelungen, die viel besagt und noch mehr enthüllt über den Zustand und das Lebensgefühl in der deutschen Gegenwart. Erzählt wird die Geschichte des Mannes Phillip Wagner, der ein Kind überfährt und seiner Verantwortung flieht, sowie der Frau Laura Reiser, die ihr Kind verliert, eine neue Liebe gewinnt und sie doch rächend opfern muss.

Es geht also nicht um Banalitäten in diesem Drama, sondern um existenzielle Grenzsituationen, um menschliches Leid, um den Hunger nach Liebe, das Scheitern und den Tod. Die entscheidenden Momente der Geschichte, die mit unerbittlicher Konsequenz auf die finale Tragödie zusteuert, finden im Auto statt. Petzold hat dazu gesagt: "Mir war wichtig, dass die Augenblicke der Beichte, Verzweiflung, Sühne und Zärtlichkeit alle im Auto stattfinden. Das Auto als Druckkammer."

Benno Fürmann und Nina Hoss sind herausragende Hauptfiguren

Bereits die erste Einstellung des Films zeigt ein Feld, hinter dem die Schornsteine des VW-Werks zu sehen sind. Das reicht, um den Ort der Handlung zu bestimmen, ansonsten ist "Wolfsburg" keineswegs das Porträt dieser Stadt, sondern erschließt verwundete Seelen in einer heillos zersiedelten, doch zugleich beklemmend leer wirkenden Landschaft. Menschliche Leidenschaften sind darin nicht vorgesehen, sind darin auch irgendwie ganz unpassend und werden doch als Kettenreaktion auf einen Unfall geweckt. Petzold lässt sich nicht auf Besänftigungen oder gar ein verlogenes Happy End ein, sondern spielt in seinem Film die Konsequenzen einer alltäglichen Katastrophe bis zum schockierenden Ende durch.

Mit Benno Fürmann als Phillip und Nina Hoss als Laura sind die Hauptrollen hervorragend besetzt, wobei Fürmann als erfolgreicher Autohändler eine Spur glaubwürdiger ist als Hoss als Hilfsarbeiterin. Doch diesen kleinen Mangel gleicht die begabte junge Schauspielerin aus mit ihrer zutiefst intensiven Darstellung einer Frau, die in einer Welt voller Unverbindlichkeiten sich für ihre Würde und die ihres toten Kindes entscheidet - mit allen Konsequenzen.

"Wolfsburg" ist keine leichte Kost, auf vielen Leinwänden wird der Film nicht laufen. Aber wo er zu sehen ist, wird er ein Publikum finden, das innerlich erregt und bewegt das Kino verlässt. Bei deutschen Produktionen ist das ja nicht oft der Fall.

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