"Mr. Turner - Meister des Licht" im Kino William Turner - Maler-Genie mit ziemlich üblen Manieren

Mike Leigh ist eine meisterliche Charakterstudie über einen Künstler gelungen, der die Malerei für alle Zeiten verändert hat.

William Turner - Maler-Genie mit ziemlich üblen Manieren
Foto: dpa, ImY

Die Augen zusammengekniffen im bulligen Gesicht, die Unterlippe unvorteilhaft vorgeschoben, die kompakte Gestalt vom schlecht sitzenden Gehrock umhüllt - zu diesem vierschrötigen Äußeren passt das bärbeißige Verhalten: Ehemalige Geliebte und uneheliche Kinder werden ebenso grob missachtet wie soziale Konventionen.

Doch der Mann, der so durch sein Leben wandert, ist zu äußerster Sensibilität und Zärtlichkeit fähig. Er ist das englische Malergenie Joseph Mallord William Turner (1775-1851), dem Regiealtmeister Mike Leigh hier ein Filmporträt widmet: "Mr. Turner - Meister des Licht" mit dem grandiosen Timothy Spall ("Harry Potter", "The King's Speech") ist dabei selbst zum Meisterwerk geworden.

Wie golden schimmernde Gemälde wirken viele der detailreich ausgestatteten und von urigen Typen bevölkerten Leinwandszenen (Kamera: Dick Pope). Vor dem Hintergrund des Großbritanniens des 19. Jahrhunderts, das sich von einer Agrargesellschaft zur Industrienation wandelt, setzt der 71-jährige Regisseur ("Nackt", "Vera Drake") die Charakterstudie eines radikalen Künstlers ins Bild, der die Malerei für alle Zeiten verändert hat.

Bereits 60 Jahre vor den Abstrakten des 20. Jahrhunderts schuf Turner etwa in seinen Seestücken und Landschaften mehr und mehr reine, lichte Farbflächen, die mit vermeintlich realistischer Wiedergabe nichts zu tun haben. Kein Wunder, dass nicht nur Queen Victoria nicht amüsiert war. "Abscheulich" und "gelbes Geschmiere" nennt die Königin im Film Turners Werk bei einem Besuch in der Royal Academy, wo der Rastlose als Professor lehrte.

Feinfühlig vermag es Spall, den gern animalisch grunzenden oder auf seine Bilder spuckenden Egomanen in seiner Widersprüchlichkeit zu verkörpern. Mit diesem Titelhelden und allen anderen hervorragend besetzten Rollen taucht man als Betrachter wie gebannt ein in eine versunkene Welt (Szenenbild: Suzie Davies).

Auf seiner Suche nach dem Licht führt Turners Weg ihn von seinem Londoner Atelier über Adelspalast und Bordell immer wieder an die Küste nach Margate. Dort findet er in der Seemannswitwe Sophia Booth (Marion Bailey) eine wundersame Altersliebe. Dass seine Haushälterin Hannah (Dorothy Atkinson), an der er seine sexuellen Bedürfnisse stillte, derweil seelisch verkümmert, scheint er nicht wahrzunehmen.

(RP)
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