"The Dark Knight Rises" Wiederkehr des dunklen Comic-Helden

Berlin · Überschattet von der Bluttat in den USA läuft in Deutschland der neue Batman-Film an. Christopher Nolan und Christian Bale laden zum apokalyptischen Finale. In "The Dark Knight Rises" kehrt Batman zurück, um Gotham City vor einer nuklearen Katastrophe zu bewahren. Sein Gegenspieler: ein anarchischer Maskenmann.

Natürlich liegt nun ein Schatten über diesem Film. Zwölf Menschen sind am Freitag getötet worden, während sie ihn sich ansahen, mehr als 50 wurden verletzt. Dass der Attentäter in Aurora eine der ersten Aufführungen von "The Dark Knight Rises" als Prospekt für seinen grausamen Auftritt wählte, ist der irren Logik des Verbrechens geschuldet und nicht dem Inhalt von Christopher Nolans Batman-Trilogie.

Der bewaffnete Mann versuchte die Düsternis der Leinwand-Erzählung zu stehlen, um selbst zum Ereignis zu werden. Er wollte sich das Grauen borgen und seine eigene Wirkung vervielfachen: Dies ist die Kino-Produktion des Jahres, und also war ihm der Auftritt in den Nachrichtensendungen sicher - das dürfte der Kern des kriminellen und tödlichen Marketings gewesen sein.

Man sollte dem Mann, der für unvorstellbares Leid verantwortlich ist, nicht den Triumph gönnen, seine Morde mit dem Handeln der Fantasie-Wesen im Film eng zu führen. Wer in diesen Tagen ins Kino geht, darf trauern, und sicher wird er erschüttert sein.

Aber er sollte auf der Leinwand nicht nach Hinweisen und Spuren suchen - weil das den Opfern und den Trauernden kaum gerecht wird: Aurora war ein Massenmord, für den sich der Täter verantworten muss. Nicht der Film ist schuld, sondern der Mörder.

"The Dark Knight Rises" beschließt die Reihe von Batman-Filmen, die Christopher Nolan vor sieben Jahren begann. Der Film wirkt wie eine gewaltige Abrissbirne - 160 Minuten Showdown.

Das ist eine Produktion, die mit den Gesetzen des Superhelden-Genres bricht, indem sie Batman (Christian Bale) als ambivalente Figur präsentiert, die nicht mehr zur Identifikation taugt. Er tritt als abgewirtschaftete Persönlichkeit auf. Überhaupt ist diese Trilogie eine Revolution im Blockbuster-Kino, weil sie die Bilder untertunnelt und derart mit Bedeutung auflädt, dass man sich stellenweise wie in einem Oberseminar zur Politischen Theorie vorkommt. Alles in Nolans Ideen-Kino hat einen doppelten Boden.

Der Zuschauer begegnet Batman – beziehungsweise seinem Alter Ego, dem Milliardär Bruce Wayne – acht Jahre, nachdem sich der Retter von Gotham City zur Ruhe gesetzt hat. Er geht am Stock, verschanzt sich im Ostflügel seines Anwesens. Die große Stadt wähnt sich im Frieden, doch dann taucht ein Mann auf, der den Warlords vom Balkan nachempfunden ist.

Er trägt eine Maske, die sein entstelltes Gesicht verbirgt und seine Stimme wie ein kaputter Verstärker verzerrt. Sein Name ist Bane (Tom Hardy), er gaukelt dem Volk vor, er könne ihm helfen, sich gegen die Mächtigen zu erheben. Er predigt "Krieg den Palästen", aber seine Standgerichte und Exekutionen lassen ahnen, dass die Hütten nicht verschont bleiben.

Nolan nimmt Bezug auf jeden Alptraum westlicher Zivilisation, er spannt den Bogen vom alten Rom bis ins New York der Occupy-Bewegung. Diese Batman-Lieferung zeigt eine Welt, die so unübersichtlich geworden ist, dass sich die Beteiligten danach sehnen, neu anzufangen.

Batman muss zurückkehren, aber das Böse ist mehrdimensional und unberechenbar, es will Zerstörung und Verheerung, und seine Gefolgschaft rekrutiert es aus Hochsicherheitstrakten und geschlossenen Anstalten. Wahn gebiert Terror, alles ist im Fluss, und so gibt es kein befriedigendes Duell zwischen zwei Gegnern. "The Dark Knight Rises" gleicht stattdessen einer Erkundungsfahrt in die verwundete Gegenwart, das ist Kino für den Kopf, nicht für den Bauch.

"Batman Begins" (2005) war das existenzielle Drama eines Mannes, der früh seine Eltern verlor und zum Kämpfer wurde. "The Dark Knight" (2008) war der Schaukampf zweier Prinzipien, zerebrales Flirren. Das Spiel von Heath Ledger in der Rolle des Joker kitzelte die Nerven.

Die Fortsetzung ist nun Heavy-Metal-Bayreuth, der Bösewicht wirkt im Vergleich zum Joker behäbig in seiner Wut. Er bricht Gegnern bezeichnenderweise das Rückgrat, er sprengt den Einwohnern Gothams den Boden unter den Füßen weg, und die Geschichte kommt als ein aus Versatzstücken von historischen Revolutionsreden und Börsencrash-Rhetorik komponierter Post-9/11-Essay über die Angst und den besten Weg zur Veränderung der Verhältnisse daher.

Christopher Nolan gehört zu den besten Regisseuren Hollywoods, virtuos verknüpft er alle Fäden, die er in den Jahren zuvor ausgelegt hat. Sein Markenzeichen sind die Auffächerung der Handlung in zahlreiche Sub-Plots und die verblüffende Auflösung aller Neben-Erzählungen kurz vor Schluss. Dieses Prinzip verfeinert er; man staunt, dass nach fast drei Stunden alles Sinn ergibt. Und doch wirkt der neue Batman im Gegensatz zu den beiden Vorgängern überladen.

Sein Ernst wird nie gebrochen, was ihn teils an den Rand der Albernheit führt: Wenn Bane mit Darth-Vader-Stimme über Infrastruktur doziert oder Morgan Freeman sich eine neue Maschine zur Rettung der Welt ausdenkt und sagt "Ich brauche das IMP-Ablenksystem von The Bat", dann klingt das Drehbuch wie seine eigene Persiflage. Außerdem wird um 40 Prozent des Genusses betrogen, wer ohne Kenntnis von Teil eins und zwei ins Kino geht.

Für Heiterkeit im Sturm der fallenden Gebäude, getroffenen Körper und Schuss-Salven aus Uzi und Panzerrohr sorgt allein Anne Hathaway als Catwoman. Sie und der junge Polizist Blake (Joseph Gordon-Levitt) tragen große Teile der Handlung, denn auch das gehört zu den Neuerungen Christopher Nolans: Der Superheld ist zumeist abwesend.

"The Dark Knight Rises" ist als Film für sich genommen der schwächste der Reihe. Als Schlussakkord indes ist er ein Meisterwerk. Nolan nimmt Stellung, seine Arbeiten sind ja stets als Kommentare zur Wirklichkeit lesbar. Nolan befürwortet nicht Umsturz und Neubeginn, sondern die Befestigung der Welt. Der Rebell, der den Mythos vom Retter im Fledermaus-Kostüm neu durchdachte, umschrieb und ein Genre veränderte, erweist sich als Romantiker und Moralist.

Am Ende lässt er eine Atombombe explodieren. In dem Moment ist die Leinwand so hell wie nie zuvor.

(RP)
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