Clint Eastwoods "Invictus" Wie Mandela Weltmeister wurde

(RP). Clint Eastwood erzählt in "Invictus" das erste Jahr der Präsidentschaft Nelson Mandelas. Geschickt verknüpft der 79-jährige Regisseur den Kampf gegen die Apartheid mit dem Sieg der südafrikanischen Mannschaft bei der Rugby-WM im eigenen Land. Ein eleganter Film über Versöhnung.

Szenebilder aus Matt Damons "Der Informant"
11 Bilder

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Man kennt den Ausgang der Geschichte, es geht um das erste Jahr in der Präsidentschaft Nelson Mandelas, es ist 1995, und alles ist wahr. Aber auf ebenso wunderbare Weise wie damals die Rugby-Nationalmannschaft Südafrikas im eigenen Land überraschend Weltmeister wurde und die tief gespaltene Nation zumindest für einen Abend einte, verdichtet Regisseur Clint Eastwood die Spannung in seiner puristischen Inszenierung. Am Ende ist das so aufregend zu erleben wie ein Märchen, ebenso traumhaft und ermutigend.

Die Springboks, so heißt Südafrikas Team, gewinnen also im Ellis Park in Johannesburg mit 15:12 gegen Neuseeland. Es ist ein knapper und schwerer Sieg, erst in letzter Minute errungen. Die Knochen der Spieler ächzen, das Blut spritzt, und am Ende jubelt ein feingliedriger alter Mann, der von Anfang an daran geglaubt hat, was niemand für möglich hielt: Nelson Mandela, vom 72-jährigen Morgan Freeman als weiser Magier gespielt. Fünf Jahre zuvor war Mandela aus der Haft entlassen worden, nach 27 Jahren in der Zelle auf Robben Island. Die Springboks waren für ihn das Symbol der weißen Herrschaft, er hielt stets gegen sie, eine Mannschaft ohne einen Schwarzen, es war die Zeit der Apartheid.

"Was vergangen ist, ist vorbei"

Als Mandela Präsident wird, rechnen die meisten damit, dass er das Team umbenennt und -besetzt, seine Anhänger hoffen gar darauf. Statt dessen hält der erste schwarze Präsident des Landes zu den Männern in den grün-goldenen Trikots. Er ist nicht zornig, er will keine Rache. Er lädt Rugby-Kapitän Francois Pienaar zu sich nach Pretoria ein, sie verbünden sich. Pienaar, den Matt Damon als unbewusst das Rechte erstrebendes Kind im massigen Männerkörper anlegt, ermöglicht somit nicht nur den sportlichen Sieg. Es wird ein Triumph der Vergebung. "Was vergangen ist, ist vorbei", sagt Mandela, "wir schauen nach vorn." Er weiß, dass kein Gesetz, keine Steuer-Erleichterung und keine Reform die Wirkung erzielen kann, die ein gewonnenes Endspiel hat.

Eastwood wirft allen biografischen Ballast von Bord, Mandelas Ehe mit Winnie etwa, er verzichtet auf die Ausformulierung der Widerstände im Kampf gegen die Rassentrennung. Der 79-Jährige geht dabei nicht gerade subtil zu Werke, das merkt man spätestens in der Szene, in der die einander belauernden weißen und schwarzen Leibwächter Mandelas nach Erreichen des Halbfinales in einer Pause gegeneinander Rugby spielen und sich schließlich euphorisch verbrüdern. "Meinen Sie immer noch, ich verschwende meine Zeit mit Sport?", fragt der zufriedene Mandela eine Angestellte. "Invictus" ist ein Symbolfilm.

Dennoch ist das eine großartige Produktion, die Kitsch konsequent vermeidet. Es ist faszinierend zu sehen, wie Eastwood das eigentliche Thema der historischen Episode herausarbeitet, die Frage, um die es geht: Ist Versöhnung möglich? Der Film wird zu einem hochspannenden Essay über Macht und ihre Anwendbarkeit, ein intellektuelles Spiel, in dem Morgan Freeman die Seele ist. Er strahlt so viel Würde aus, ist dabei so bescheiden. Freeman gelingt es, mit kleinen Gesten einen Charakter zu erschaffen: Früh am Morgen nach seiner Wahl etwa möchte Mandela im Dunkeln spazieren gehen. Er steht auf, zieht die Pantoffeln an und macht als erstes sein Bett, wie er es jahrzehntelang im Gefängnis gemacht hat. Aus einer Handbewegung ersteht eine Person — Freeman wurde für diese Rolle für den Oscar nominiert.

Die Kraft, die ein Sieg kostet

Die Intensität solcher Szenen wird kontrastiert mit einer eleganten Heiterkeit, die den Film so leicht wirken lässt. Mandela tanzt mit einer Mitarbeiterin, er sagt: "Mein Vater lebte polygam, ich nicht. Aber wenn ich Sie so ansehe, beneide ich meinen Vater." Mandela, das ist hier ein Prinzip, das Prinzip der großherzigen Gelassenheit.

Wie hart indes der Kampf um Gleichheit ist, ergibt sich daraus, wie Eastwood den Sport in Szene setzt. Wenn sich die Mannschaften verhaken, wenn die gepanzerten Leiber gegeneinander drücken, stoßen, dann geht die Kamera nah heran, die Wirkung der Großaufnahmen wird durch Zeitlupe gesteigert. Aus dem Orkus scheinen die Geräusche dazuzukommen, verzerrtes Stöhnen, dumpf und unheimlich. Man muss die Regeln des Spiels nicht kennen, um zu ermessen, wie viel Kraft ein Sieg kostet. Ein Gedicht bildet das spirituelle Rückgrat dieser Erzählung vom Gewinnen. Mandela überreicht die Verse von William Ernest Henley aus dem 19. Jahrhundert dem Springboks-Anführer: "Ich bin der Herr meines Schicksals. Ich bin der Kapitän meiner Seele", heißt es da.

Eastwoods Film ist naiv, natürlich, allerdings in einem archaischen Sinn, etwa so, wie Mythen und Märchen naiv sind. Eastwood glaubt daran, dass Feinde sich vertragen können. Er glaubt an den gemeinsamen Grund im Menschsein, an das Einigende und die Gleichheit. Und der Regisseur schafft es, eine ästhetische Form für seine Arglosigkeit zu finden, sie plausibel zu machen und an die Wirklichkeit zu koppeln. Das also ist das Großartige: Es ist alles wahr.

Bewertung: 4 von 5 Sternen

(RP)
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