"Im Keller" im Kino Die Obsessionen der Kleinbürger

Düsseldorf · Ulrich Seidl inszeniert die österreichische Realität als perverses Panoptikum in "Im Keller". Leider langweilt er damit die Zuschauer.

Ulrich Seidl inszeniert die österreichische Realität als perverses Panoptikum
Foto: dpa, ImY

Wenn ein Regisseur wie der Österreicher Ulrich Seidl seinen Landsleuten in den Keller folgt, ist klar, was kommt: Obsessionen, Perversionen, Ekel. Seidl sucht in allen seinen Filmen nach den Abgründen in Kleinbürgerseelen. Nun brachte ihn wohl der Fall des Josef Fritzl dazu, die Kellertreppe hinabzusteigen. Der Mann hat bekanntlich seine Tochter 24 Jahre lang in einer unterirdischen Wohnung gefangen gehalten und missbraucht. Nun will Seidl zeigen, welchen unheimlichen Beschäftigungen andere scheinbar unbescholtene Bürger in den Abstellkammern ihres Daseins so nachgehen.

Natürlich wird er fündig: Unverbesserliche Nazis spielen in einer Devotionaliengruft vor Hitler-Gemälden Blasmusik; eine ältere Frau hortet in Schuhkartons Säuglingspuppen, die sie betüddelt, als wären sie lebendige Kinder; ein Mann lässt sich von seiner Domina-Gattin Gewichte an die Genitalien hängen und weicht selbst auf dem Klo nicht von ihrer Seite. Vieles davon ist schwer anzuschauen, manche Szenen sind so eklig, dass einem schlecht werden kann. Dabei pflegt Seidl einen lakonischen Dokumentarstil, der Menschen stoisch beobachtet, wartet, bis sie sich selbst entlarven. Und das wäre alles vielleicht aufschlussreich, wenn das Dokumentarische echt, die Zur-Schau-Stellung von Perversion nicht Masche wäre.

Doch Seidl arrangiert sich die Welt, wie er sie sieht. Und so begegnet er dem immer gleichen Personal: Nazis, Sadomasochisten, verbohrten Rentnern mit perversen Spleens. Gegen diese Auswahl wäre nichts einzuwenden, filmte er nicht in der Haltung, eine verdrängte Wirklichkeit aufzuzeigen, den Zuschauern vorzuführen, wie die Realität angeblich wirklich ist. Seidl inszeniert sich als Aufklärer, ist aber Abstrusitätensammler. Seine Figuren sind extreme Zeitgenossen, schlimme Sonderlinge, eben nicht der Durchschnitt der Gesellschaft.

Seidl hat sehenswerte Spielfilme gemacht wie "Import Export", die von sozialen Missständen erzählen, im Ton gespielter Gleichgültigkeit anprangern. Für seine Pseudo-Dokus arrangiert er Szenen, bis sie seine Thesen ins Bild setzen. Das mag ihn bestätigen, für den Zuschauer ist das nur noch öde.

(RP)
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