Wolfgang Petersens Monumentalfilm Troja: Epos für blutige Tragödie geopfert

Die Geschichte vom Untergang der legendären Stadt Troja ist gewaltig. Und diese auf die Leinwand zu bringen, gar nicht so einfach. Wolfgang Petersen hat sich der Überlieferung Homers angenommen. Um es für ein breites Kinopublikum verdaubar zu machen, musste der Regisseur das Epos allerdings opfern.

Der Untergang von Troja ist fürwahr eine der spannendsten und tragischsten Geschichten, die der Menschheit bekannt ist. Nur kann selbst der beste Regisseur einen solchen Stoff nicht für die Leinwand aufbereiten, ohne an ihm zu freveln. Denn in 'nur' knapp drei Stunden wird von dem in Hollywood arbeitenden deutschen Regisseur eine Geschichte erzählt, die sich über ein Jahrzehnt hinzog und erst mit der berühmtesten List aller Zeiten, dem "Trojanischen Pferd", grausam beendet wurde. 170 Millionen Dollar (rund 140 Millionen Euro) hat der in London, Malta und Mexiko gedrehte Film seine Produzenten gekostet. Die imposante, wenngleich mehr blühender Fantasie der Ausstatter als den historisch-archäologischen Fakten verpflichtete Rekonstruktion Trojas dokumentiert eindrücklich die Millionen-Investition.

Ganze Heerscharen von Technikern, Handwerkern und Arbeitern haben daran ebenso Anteil wie die rund 1.250 zu antiken Soldaten ausgebildeten Edelkomparsen, die in den vielen Schlachten - mit digitaler Tricktechnik multipliziert - in imposanten Großaufgeboten sich dezimieren. Die eindrucksvollsten Kampfszenen sind trotzdem jene, in denen nur zwei Männer sich auf Leben und Tod gegenüber stehen. Das ist im Film mehrfach der Fall, und immer wird dann die große Ampulle mit dem Kunstblut bis zur Neige geleert.

Am spektakulärsten der Fall ist das natürlich beim Duell des schier unbesiegbaren Göttersohnes Achilles mit dem tapferen Hektor, dem Spross des Trojanerkönigs Priamos. Mit diesen drei Figuren der Tragödie sind die Zentralgestalten der Verfilmung benannt: Der Amerikaner Brad Pitt spielt Achilles als nachdenklichen blonden Killer; der Australier Eric Bana verkörpert sehr glaubwürdig den eher familiär als heldisch gesinnten Thronfolger; der große alte Peter O'Toole gibt König Priamos die tragische Tiefe des scheiternden Greises.

Kriegsgrund Helena ist hübsch, aber ausdrucksarm

Die von Homer so ergreifend besungene Szene, in der Priamos Achilles um die Übergabe der geschändeten Leiche seines Sohnes Hektor anfleht, macht deutlich, welch künstlerischer Klassenunterschied zwischen einem Shakespeare-Mimen besten britischen Geblüts und einem austrainierten Sonnyboy mit kalifornischem Surfer-Charisma nun einmal existiert. Selbstredend lässt Petersen seine Schauspieler nicht im Homerschen Stile deklamieren. Die Dialoge des Drehbuchautors David Benioff sind von moderner, handfester Diktion, allerdings gottlob einmal ohne die bei US-Produktionen übliche drastisch-obszöne Ausdrucksweise.

Obgleich der Kampf um Troja von einer schönen Frau namens Helena ausgelöst wurde, ist Petersens Version durch und durch ein Männerfilm. Die gebürtige Deutsche Diana Kruger spielt diese Helena mit hübschem Gesicht, aber allzu ausdrucksarm. Vielleicht auch deshalb lässt der Film keinen Zweifel, dass es bei dem titanischen Ringen der Trojaner mit dem griechischen Expeditionsheer nur vordergründig um gekränkte Männerehre und Weiberuntreue, in Wahrheit jedoch um Macht geht. Der danach gierigste Akteur von allen ist Agamemnon, mit dem es ja auch kein gutes Ende nimmt. Der Frauen-Räuber Paris, gespielt vom derzeitigen Mädchenschwarm Orlando Bloom, ist hingegen eine Figur, die kaum eigene Konturen gewinnt.

Filmkomponist James Horner, der seit seiner oscargekrönten Arbeit für "Titanic" zu den Begehrtesten seines Fachs zählt, hat die Tragödie mit mal differenzierten, mal bombastischen Tönen effektvoll emotionalisiert. Die Liste des Teams von Wolfgang Petersen umfasst im Presseheft mehrere eng bedruckte Seiten. Viele begabte Spezialisten haben für drei Stunden Leinwand -"Troja" ihr Bestes gegeben. Dass selbst das nicht genug ist, liegt an ihnen so wenig wie an Petersen. Es liegt schlicht daran, dass nicht der Stoff, sondern ein Mythos von solch dramatischer Wucht und zeitloser Tragik wie das Troja-Epos auch für das größte Kino dann doch zu groß ist und zu groß bleiben wird.

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