Kino-Kritik Tanzrausch an der High School

Düsseldorf (RP). Wir konsumieren gerne, und wir lassen uns ungern etwas vorsetzen. Dieser schizophrene Grundzug des Mediennutzers ist in jungen Jahren vielleicht noch ein wenig heftiger ausgeprägt als nach Jahrzehnten des Konsums. Teenager wollen sich am liebsten ganz neu erfinden, aber sie greifen dazu auch nach Massenware. Aus dieser Gemengelage gehen Phänomene wie das "High School Musical" hervor, das jetzt erstmals die große Leinwand zu erobern versucht, mit "High School Musical 3".

 Romantik und Harmonie: Vanessa Hudgens und Zac Efron tanzen in „High School Musical 3“.

Romantik und Harmonie: Vanessa Hudgens und Zac Efron tanzen in „High School Musical 3“.

Foto: Walt Disney

Die Darsteller sind Megastars Nein, uns ist kein Tippfehler unterlaufen, der dritte Film der Serie ist der erste im Kino. Vor zwei Jahren hat die Fernseh-Abteilung der Disney-Studios ein damals völlig überraschungsfreies Standardgenre, die High-School-Liebeskomödie, mit einem ebenfalls in Ehren ergrauten Genre gekreuzt, dem Musical. "High School Musical" war dabei ordentlich gemacht und hat denn auch prompt zwei Emmys gewonnen. Aber so frechheitsfrei kam der Film daher, dass die Verantwortlichen wohl selbst nicht mehr als ein achtbares Abschneiden im Quotenrennen erwartet haben.

Doch es kam alles ganz anders: "High School Musical" legte schon bei der Premiere fantastische Einschaltzahlen hin, und das war erst der Beginn eines wahren Konsumfiebers. Die DVD eines Films, der keinen Kinoruhm mitbrachte, schoss ganz nach oben in die Charts, der Soundtrack mit nicht einer Popgröße an Bord wurde das bestverkaufte Album in den USA im Jahr 2006.

Mit der alten Popweisheit "da hat jemand den richtigen Sound getroffen" ist das nicht zu erklären. Da war doch viel mehr am Werk. Offenbar war schon das glänzende Einschaltergebnis etwas, das die Kids als ihr eigenes Werk begriffen.

Der Sender hatte den Film nur angeboten. Den Erfolg hatten die Zuschauer gemacht. Mit jedem CDund DVD-Kauf hatten die Fans das Gefühl, etwas zu tun, was die Unterhaltungsmaschine gar nicht erwartet hatte.

Sie schufen sich etwas Eigenes, die Nachfrage modellierte das Angebot. Die Rollen von Ross und Reiter waren endlich wieder vertauscht, die Industrie lieferte nach, was als Nachfrage formuliert wurde.

Vanessa Hudgens und Zac Efron, die Romeo-und-Julia-Ableger des Musicals, wurden Megastars, eigene CDs der Mitwirkenden wurden Bestseller, das Merchandising erwies sich als wahre Goldgrube. Gerade darum war es ein extrem schlauer Schachzug von Disney+, nicht gleich den Kinofilm, sondern eine zweite TV-Produktion nachzulegen.

Die Kids sollten erneut das Gefühl habe, nur ihre Loyalität und Begeisterung mache etwas Kleines ganz groß. Nach Broadway- und Eisshow-Varianten des "High School Musical" wäre es nun aber sinnlos, weiter den Außenseiter zu spielen. "High School Musical 3" soll als nächste Brennstufe des Phänomens zünden, könnte sich aber auch als Bremsrakete entpuppen.

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