Biografie "Precious" war in den USA ein Sensations-Erfolg Sozialdrama mit Happy End

(RP). Im Zeitalter der politischen Korrektheit ist es unüblich, dass Menschen öffentlich nach Hautfarbe und Körpergewicht beurteilt werden. Aber Werbefachleute, die einen Film wie "Precious" verkaufen müssen, können sich keine falsche Höflichkeit erlauben. Sie müssen das Problem beim Namen nennen und die Frage stellen: Wer ist hier in Deutschland bereit, sich mit einem übergewichtigen schwarzen Mädchen zu identifizieren, das im Alter von 16 Jahren bereits zum zweiten Mal von seinem Stiefvater schwanger ist und außerdem mit dem HIV-Virus infiziert wurde? Schreckt diese Anhäufung von Problemen nicht ab?

"Precious" - das Schicksal eines missbrauchten Mädchens
11 Bilder

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(RP). Im Zeitalter der politischen Korrektheit ist es unüblich, dass Menschen öffentlich nach Hautfarbe und Körpergewicht beurteilt werden. Aber Werbefachleute, die einen Film wie "Precious" verkaufen müssen, können sich keine falsche Höflichkeit erlauben. Sie müssen das Problem beim Namen nennen und die Frage stellen: Wer ist hier in Deutschland bereit, sich mit einem übergewichtigen schwarzen Mädchen zu identifizieren, das im Alter von 16 Jahren bereits zum zweiten Mal von seinem Stiefvater schwanger ist und außerdem mit dem HIV-Virus infiziert wurde? Schreckt diese Anhäufung von Problemen nicht ab?

Nein, tut sie nicht. "Precious" ist ein Musterbeispiel für einen Crossover-Hit, also einen Film, der unterschiedlichste Bevölkerungsgruppen anspricht. Man könnte den Stoff mühelos nach Deutschland übertragen, aus Precious eine Jugendliche mit oder ohne Migrationshintergrund machen, die mit ihrer Hartz-IV-Mutter zusammenlebt, von ihr beschimpft und geschlagen wird und die von einer besseren Welt träumt. Ihre Träume werden wahr, ein wenig zumindest. Eine verständnisvolle Lehrerin hilft Precious, ihre Schreibschwäche zu überwinden, und sie schafft es bis zum Schulabschluss.

Das eigentliche Happy-End hat außerhalb des Films stattgefunden: Die literarische Vorlage, das autobiografische Buch "Push" von Sapphire, wurde zum Bestseller, und der Film, zunächst von Finanzierungsschwierigkeiten geplagt, geriet zu einer Herzensangelegenheit von Oprah Winfrey: Die millionenschwere Talkmasterin, die selbst Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch und Übergewicht hat, betrieb eine aggressive Werbekampagne, die in diesem Fall gerechtfertigt war. Das deprimierende Thema wird von Regisseur Lee Daniels (als erster Afroamerikaner für den Regie-Oscar nominiert) mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit erzählt. Etwas naiv wirkt lediglich das Vertrauen in die staatlichen Förderinstitutionen, die Precious vor dem totalen Absturz bewahren.

Es spricht für die Hauptdarstellerin Gabourey Sidibe, dass man sich auf ihre Augen und ihren Mund konzentriert und ihren Körper als selbstverständlich hinnimmt. Doch das Ereignis des Films ist die Oscar-prämierte Mo'Nique als Rabenmutter, die ihrer Tochter ganz locker-lässig eine Bratpfanne an den Kopf schleudert. Bei ihrem großen Schlussmonolog, in dem sie zitternd und weinend einer Sozialarbeiterin (Mariah Carey) gesteht, die Vergewaltigung ihrer Tochter "übersehen" zu haben, kommt ihre Verletzbarkeit zum Vorschein. Da hat man für einen kurzen Moment Mitleid mit dieser Frau, deren Verhalten sich trotzdem nicht entschuldigen lässt.

Bewertung: 4 von 5 Sternen

(RP)
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