Computeranimierter Augenschmaus Sky Captain and the World of Tomorrow

Mit einem interessanten und bisher einzigartigen Mix aus Renderkulissen und Realschauspielern begeistert der neue Film "Sky Captain and the World of Tomorrow" nicht nur mit abstrus langem Namen und blendenden Effekten, sondern offenbart eine klassische "Film Noir" Detektiv-Geschichte.

Es war einmal ein computerversierter Filmfreak, der seinen "Mac" mit so ungefähr allen Sci-Fi-Werken der Filmgeschichte bis zu den 40er Jahren fütterte, daraus einen Kurzfilm bastelte und ihn einem Hollywood-Produzenten vorführte. Wie ein modernes Märchen klingt die Entstehungsgeschichte des vollständig computeranimierten Retro-Science-Fiction-Thrillers "Sky Captain and the World of Tomorrow", der am 18. November anläuft.

So spektakulär wie ambitioniert ist bereits der Auftakt des 80 Millionen Dollar teuren Fantasy-Krimis. Im Jahre 1939 landet der Zeppelin "Hindenburg III" auf dem Dach des Empire State Buildings in New York. Diese Szene könnte in ihrer leicht diffusen, braun getönten Bildqualität ebenso gut aus einer Wochenschau der 30er Jahre stammen - falls jene Plattform und jene "Hindenburg III" existiert hätten. Es hätte sie aber geben können, wenn im 3. Reich nach der "Hindenburg"-Katastrophe nicht der Zeppelin-Bau eingestellt worden wäre.

Ebenso hätte damals jemand einen Krimi drehen können mit einer smarten blonden Reporterin, die das mysteriöse Verschwinden berühmter Wissenschaftler recherchiert. Doch Polly Perkins sieht nur so aus wie der Replikant einer Filmheldin der Vorkriegszeit: Die Darsteller sind alle real und wurden mittels Blue-Screen-Technik in die virtuellen Kulissen hineinkopiert. Auch der schneidige Pilot Joe "Sky Captain", mit dem die rasende Reporterin mal eine Affäre hatte, erinnert an andere Superhelden.

Gemeinsam geht das verhinderte Liebespaar auf die Jagd nach dem deutschen Verbrechergenie Dr. Totenkopf - durch Computer generierte Lüfte, Ozeane, Dschungel und bis ins idyllisch gepixelte Shangri-La im Himalaya. Die extravagante Retro-Utopie erweist sich als ein Film über Filme und schlägt per Mouse-Klick verspielte Purzelbäume zurück in die Zukunft. Dabei wird neben Filmen auch einiges aus Comics und populärer Science-Fiction-Literatur zitiert: Orson Welles, Jules Verne, der Zauberer von Oz, Flash Gordon, Indiana Jones, Supermann und H.G. Wells stellten die Vorlagen, bei denen sich dieser Film reichlich bedient.

Das Schöne ist jedoch, dass man die fiktionalen Anspielungen nicht erkennen muss, um Spaß zu haben. Besonders sein künstlerischer Look, ein elegantes Amalgam aus 30er-Jahre-Art-déco, dem Chiaroscuro (Hell-Dunkel-Malerei) des "film noir", dem Futurismus von Fritz Langs "Metropolis" und H.G. Wells Monstern aus "Krieg der Welten" ist der Beweis dafür, dass Computeranimation mehr kann als die Bewegungen von Zeichentrickfiguren zu vervollkommnen oder "realistisch" grausige Horror-, Massen- und Kriegsszenen zu erzeugen.

Gwyneth Paltrow als zickige Heldin

Gwyneth Paltrow im Weichzeichner-Filter, deren aus dem Schatten leuchtende Blondheit so manche Stummfilmdiva vor Neid erblassen ließe, ist eine wunderbar zickige Heldin, die zwischen stampfenden Roboter und Dinosauriern stöckelt, um ein gutes Foto zu schießen. Ihr attraktiver Partner Jude Law ist wie Paltrow in schicke Retro-Schneiderkostüme der britischen Stardesignerin Stella McCartney eingenäht. Ihre "Was-sich-liebt-das-neckt-sich-Beziehung" ist spritzig und charmant, und Pollys Rivalin Angelina Jolie macht als tollkühne Pilotin mit Augenklappe eine noch bessere Figur.

Dabei sind diese Geplänkel à la Katharine Hepburn und Spencer Tracy, Lauren Bacall und Humphrey Bogart, nicht formelhafter als die Techtelmechtel in "zeitgenössischen" Filmen. Vielmehr verleiht die über jede postmoderne Ironie erhabene Akribie, mit der Regiedebütant Kerry Conran parallel zu vergessenen Utopien auch Screwball-Klischees neu belebt, seiner Hommage an alte Schätzchen eine temperamentvolle Beschwingtheit. Spätestens wenn der längst verstorbene Sir Laurence Olivier als Hologramm seine Wiederauferstehung feiert, merkt man, dass hier ein leidenschaftlicher Filmfan die "Mouse" führt.

Dass die sechs Jahre dauernde Tüftelei des Newcomers weniger ein pubertierendes Mainstream-Publikum als Filmkunstfans anspricht, liegt auf der Hand und beweist, dass auch Hollywood manchmal mehr mit dem Herz als mit der Brieftasche denkt.

(ap)
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