Film-Kritik Requiem: Als Gott nicht half

Die Geschichte ist wahr und deshalb so beklemmend, dass sie bereits vor einigen Monaten in den USA verfilmt wurde, allerdings mit anderem Hintergrund. Nun nimmt sich ein deutscher Regisseur des Themas "Teufelsaustreibung" an. Hauptdarstellerin Sandra Hüller erhielt für ihre Darstellung als verzweifelt-kranke Studentin den Silbernen Bären.

Requiem
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Foto: X-Verleih

Hans-Christian Schmids beklemmendes Psychodrama "Requiem" war einer der beeindruckendsten Filme der Berlinale. Es ist keine leichte Kost, die dem Publikum von dem mehrfachen Gewinner des Deutschen Filmpreises vorgesetzt wird: Im Mittelpunkt des Films steht das erschütternde Schicksal der jungen Michaela Klingler.

Ihr Leidensweg wird von Bernd Langes Drehbuch einer wahren, ebenso tragischen wie spektakulären Begebenheit der 70er Jahre nachgezeichnet. Diese Studentin Michaela leidet unter epileptischen Anfällen, gegen die ärztliche Kunst außer dem Verschreiben von Medikamenten wenig vermag. Doch Michaela leidet auch an der Enge ihres in dörflicher Provinz beheimateten, streng katholischen Elternhauses. Deshalb ist sie überglücklich, endlich einen Studienplatz als Lehramtsanwärterin in Tübingen zu bekommen. Die Mutter, eine bittere Frau, ist gegen diesen Schritt in die Welt, doch der Vater unterstützt verständnisvoll Michaela.

In Tübingen gewinnt das schüchterne Mädchen die Freundschaft der patenten Hanna und auch die Zuneigung des netten Chemiestudenten Stefan. Doch die Dämonen in ihrer Seele lassen Michaela nicht los. In ihrer Verzweiflung wendet sie sich an der alten Dorfpfarrer Landauer, der sie in Kontakt mit dem jungen Priester Martin Borchert bringt. Das gemeinsame Gespräch und Gebet tut Michaela gut. Trotzdem nimmt die Tragödie unerbittlich ihren Gang.

Schreckliche Anfälle foltern die Studentin, die Eltern sind verzweifelt. Schließlich sehen sie nur noch eine Rettung für ihre Tochter: Eine von Borchert durchgeführte Teufelsaustreibung nach kirchlichen Regeln. Damit endet der Film, im Nachspann ist zu erfahren, dass Michaela auch so nicht zu retten war, sie stirbt im Elternhaus an Entkräftung.

Keine wohlfeile Denunziation der katholischen Kirche

Schmid hat das düstere Geschehen sehr behutsam als Jugendtragödie in Szene gesetzt und damit zugleich ein Zeitbild jener Jahre geschaffen, in denen das öffentliche Bekenntnis zur Gottesgläubigkeit in einem deutschen Hörsaal höhnisches Lachen erzeugte. In der 27-jährigen Sandra Hüller hat der Film eine Schauspielerin, die mit anrührender Intensität jene Michaela verkörpert, die weder von der Medizin noch der Theologie zu retten ist. Der Regisseur widersteht der Versuchung, die katholische Kirche wohlfeil zu denunzieren. Der Film lässt durchaus die Interpretation zu, Michaela sei zum frühen Tod bestimmt gewesen, und keine Macht habe das verhindern können.

Das wird all jenen nicht gefallen, die alles für machbar und änderbar halten. Das Schicksal des realen Filmvorbilds war im vergangenen Jahr schon Thema des nicht schlechten, aber etwas zu reißerischen amerikanischen Spielfilms "Der Exorzismus der Emily Rose". Schmids Studie verzichtet hingegen auf alle Horrorelemente und zeigt eine junge Frau, die verzweifelt um ihre Freiheit und Befreiung kämpft. Es ist nicht ganz einfach, diese Tragödie im Kinosessel auszuhalten.

Aber dieser Film musste schon deshalb gemacht werden, um mit Sandra Hüller eine weitere großartige junge deutsche Schauspielerin zu erleben. Lebenswille und Angst dieser Michaela Klingler in "Requiem" bringen Bilder, die im Gedächtnis bleiben werden. Diese Produktion dokumentiert eindrucksvoll die Bandbreite und den neuen Ernst, mit der sich deutsche Filmemacher Themen widmen, die sie mit guten Gründen nicht mehr der Hollywood-Maschinerie überlassen wollen.

(ap)
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