Kino-Kritik Reise durch die Welt des Geldes

Düsseldorf (RP). Nein, diese Dokumentation ist nicht einfach ein Pamphlet zur aktuellen Krise von Banken und Börsen geworden. Erwin Wagenhofer setzt in diesem Film-Essay über das "Geldmachen" so sehr auf die Kraft der Bilder, dass er die Zusammenhänge zwischen Warenproduktion und Finanzspekulation nie aus den Augen verliert. Jetzt freilich, wo der Film nach zwei Jahren Arbeit pünktlich zum Auftakt einer internationalen Wirtschaftskrise in die Kinos kommt, wirken die Sätze, mit denen Akteure und Beobachter das Funktionieren scheinbar endloser globaler Geldvermehrung erläutern, umso deutlicher getränkt von der Gewissheit, dass sie bald zusammenbrechen muss.

 Szene aus "Let's Make Money".

Szene aus "Let's Make Money".

Foto: Delphi

Wagenhofer hat sich bei seiner Weltreise auf relativ wenige Handlungsorte konzentriert. Die Londoner City als Finanzzentrum und Washington D.C. als Zentrum (wirtschafts-) politischer Macht werden kürzer gestreift als die Kanalinsel Jersey, das Muster für die Bedeutung der "Offshore"-Steuerparadiese. Oft münden die Kontraste zwischen extremer Armut und entrücktem Reichtum in zynisch funkelnden Galgenhumor. Etwa zwischen den Baumwollfeldern in Burkina Faso, Westafrika, und einem Tempel neoliberaler Vordenker in der Schweiz.

"Wir haben Angst. Helft uns, zahlt faire Preise", fleht eine schweißglänzende afrikanische Baumwollpflückerin in die Kamera. Der Plantagen- Manager hat in seinem kühlen Büro diese Hoffnung längst aufgegeben. Er sieht keine Chancen mehr gegen die hochsubventionierte Konkurrenz aus den USA und kündigt lächelnd an: "Wir haben keine andere Wahl" als auszuwandern. "Sie können ruhig zehn Meter hohe Mauern bauen. Wir werden trotzdem nach Europa kommen."

Aber nur, wenn sie eine Eintrittsgebühr bezahlen, das sei ja auch bei jedem Tennisclub üblich, räsonniert am Genfer See ein leitender Wirtschaftsredakteur der Neuen Zürcher Zeitung, und er meint das ganz ernst. Er führt das Filmteam in ein ehrwürdiges Luxushotel hoch über Lausanne, wo 1947 die "Mont Pelerin Society" gegründet wurde, und erzählt andächtig, dass aus diesem erlauchten Kreis von Intellektuellen jene Berater stammten, die in den 1980er Jahren Präsident Reagan die Deregulierung der Finanzmärkte und Handelsströme beibrachten.

Auch andere Selbstinszenierungen von Gesprächspartnern wirken schier komisch in ihrer Selbstgefälligkeit. Etwa ein österreichischer Unternehmer, der auf der Fahrt durch einen Slum im indischen Chennai (Madras) vergnügt versichert: "Hier schreit keiner nach dem Staat, hier ist Selbsthilfe angesagt, hier geht‘s nur um die Wirtschaft."

Dabei wird dieser Slum in so prägnanten Bildern geschildert, dass man den Gestank der offenen Kloaken zwischen den Hütten zu riechen meint — gleich neben einer riesigen Plakatwand, auf der die Deutsche Bank ihre Dienste anbietet.

Frösteln lässt die Kälte, mit der Mark Mobius, Präsident eines 50- Milliarden-Fonds, vor der eleganten Wolkenkratzer-Skyline von Singapur das Glaubensbekenntnis ablegt, dass ihn keine "Ethik" ablenken darf von seiner einzigen Aufgabe, das Geld seiner Klienten zu mehren. Er scheint eine Krise herbeizusehnen: "Es gibt den berühmten Spruch: Am besten kauft man, wenn es Blut auf den Straßen gibt. Und ich füge hinzu: Auch wenn es dein eigenes Blut ist."

Neben so viel Vorfreude auf mörderische Zeiten und billige Aktien, mit denen "eine Menge Geld" zu machen sei, wirken selbst die zynischen Erläuterungen von John Perkins befreiend, dem Autor der "Bekenntnisse eines Economic Hit Man" (Auftragskillers). Mit der wütenden Reue eines geläuterten Ex- Söldners geißelt er Gründe und Methoden amerikanischer Interventions- Politik in der Dritten Welt.

Trotz allen geschickt dosierten Erläuterungen des modernen Turbo- Kapitalismus machen die Bilder von den leibhaftigen Folgen immer wieder fassungslos. Wie die endlosen neuen Geisterstädte an der Küste Andalusiens: ein "Zement- Tsunami", der mit drei Millionen unbenutzten Häusern und 800 Golfplätzen einen ganzen Landstrich überschwemmte, bar jeder Vernunft, aber sehr gewinnträchtig, bis die spanische Immobilienblase platzte.

Nach einem Blick in die Keller des Berliner Reichstags, wo die Graffiti russischer Soldaten an das Ende des Zweiten Weltkriegs erinnern, fasst Hermann Scheer, SPD-Bundestagsabgeordneter, seine Kritik am modernen Wirtschaftsleben zusammen: "Wenn wir so weitermachen, dann beginnt ein neues Zeitalter der Barbarei."

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