Kino-Kritik Pingpong: Schweres Spiel

Frankfurt/Main (RPO). Paul hat es nicht leicht: Sein Vater hat sich umgebracht, er fühlt sich verlassen. Und die lieben Verwandten wollen ihn auch nicht wirklich aufnehmen. Sensibel erzählt der Film von einem pubertierenden, einsamen Jungen auf der Suche nach Wärme - und sich selbst.

 Geballte Sehnsüchte, unterdrückte Gefühle: Tante Anna (Marion Mitterhammer) und Paul(Sebastian Urzendowsky).

Geballte Sehnsüchte, unterdrückte Gefühle: Tante Anna (Marion Mitterhammer) und Paul(Sebastian Urzendowsky).

Foto: JUNIFILM, AP

Die nicht ganz ernst gemeinte Auszeichnung ist ein Hinweis darauf, dass dieses tiefgekühlte Kammerspiel auch lakonisch-komische Aspekte hat. Mit flackerndem Blick beobachtet der etwas struppige Paul das verspannte Gehabe der Familie, in der kein lautes Wort fällt und zum Frühstück im Feuilleton geblättert wird. Vorherrschendes Gesprächsthema ist die kommende Aufnahmeprüfung des 16-jährigen Klavierspielers Robert am Konservatorium. Und während sich Handwerkersohn Paul nützlich machen will und den Swimming Pool neu fliest, treibt die Dame des Hauses Robert zum Üben an und kuschelt mit ihrem abgöttisch geliebten Hund Schumann.

Flatternder Puls

Als Vater Stefan auf Geschäftsreise muss und die drei allein lässt, wird Paul zum Spielball zwischen Robert und Mutter Anna. Die gepflegte Hausfrau und verhinderte Konzertpianistin projiziert ihren unerfüllten Ehrgeiz auf den Sohn und ist zugleich eifersüchtig auf sein Talent. Der introvertierte Robert, der heimlich weißen Rum aus der Wasserflasche säuft, freundet sich mit seinem gleichaltrigen Cousin an und flüchtet vor der fordernden Mutter in Computerspiele und Pingpong-Turniere. Als aber Anna Paul daraufhin auf ihre Seite zu ziehen versucht, verwechselt der pubertierende Neffe das Interesse seiner Tante prompt mit Zuneigung und bekommt beim Anblick ihres Hinterns heftiges Herzklopfen.

Debütregisseur Matthias Luthardt inszeniert die taktischen Spielchen und erotischen Gefühlswirren meist mit Präzision und Eleganz. Zwar sitzt nicht jeder Dialog, aber er traut sich, den flatternden Puls der bürgerlichen Familie so fest zu fühlen, wie man es sonst nur aus französischen Psychodramen kennt. So lassen sich beispielsweise die finanziellen Konflikte zwischen Onkel Stefan und Pauls Vater, welche die Familie peinlich berührt totschweigt, nur erahnen. Umso mehr ziehen einen die unerklärten Stellungskriege dieses schnörkellosen Kammerspiels in ihren Bann: Die Luft ist dick vor Verdrängung, vor unterdrückter Aggression, sexueller Verheißung und Herzweh.

Und als statt eines großen Knalls kleinere Implosionen die Heile-Welt-Fassade ins Wanken bringen, entfaltet sich erst die Perfidie dieses Bungalow-Dramas. Denn der zurückgekehrte Vater ist gar nicht besonders erpicht darauf, zu erfahren, was sich zwischen seiner Gattin und Paul abgespielt hat.

Unter den fein abgestimmten Schauspielerleistungen ragt neben dem lockenköpfigen Hauptdarsteller Sebastian Urzendowsky und Clemens Berg als sein Cousin - auch in Realität ein Klaviervirtuose - besonders Marion Mitterhammer hervor. Mit ihrem charmanten Wiener Akzent quengelt sie so gekonnt herum, als ob sie Isabelle Huppert, die Oberzicke des französischen Films, übertrumpfen wolle.

(ap)
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