Kinostart von "The King's Speech" Majestät bekämpft sein Stottern
(RP). Nominiert für zwölf Auszeichnungen geht "The King's Speech" dieses Jahr ins Oscar-Rennen. Der Film erzählt anrührend und amüsant von den Mühen des britischen Königs George VI., flüssig sprechen zu lernen. In der Hauptrolle glänzt Colin Firth.
Früher, schnaubt der alte König George, reichte es aus, eine Uniform zu tragen und nicht vom Pferd zu fallen. Doch jetzt sei seine Familie "reduziert zu diesen niedrigsten aller Kreaturen. Wir sind Schauspieler geworden". Seit es das Radio gibt, müssen der Monarch und seine Prinzen ihre ins ganze Land übertragenen Reden so sorgfältig wie Schauspieler deklamieren. Doch was George V. noch mit aristokratischer Verachtung absolviert, ist für Albert, seinen jüngeren Sohn, wie ein Gang zum Galgen. Albert ist ein scheinbar hoffnungsloser Stotterer.
Wenn der König zum Redner werden muss
Leichenblass und gekleidet wie zu einer Beerdigung tritt er auf einer Tribüne an das riesige Mikrofon, bellt ein paar kaum verständliche Worte hinein und lässt eine tausendköpfige Menschenmenge mitleiden an den quälend langen Pausen. Das war 1925, auf der "Empire Exhibition" in Wimbley, und zwölf Jahre später musste dieser Albert, Herzog von York, nach der Abdankung seines Bruders Edward als George VI. den englischen Thron besteigen: als ein Monarch, der sein Volk mit wirkungsvollen Reden erbauen soll.
Der Glanz des britischen Empire war schon immer ein beliebter Stoff für amerikanisches Erbauungskino. Die Schlachtenbilder britischer Kolonialkriege, von den "Bengal Lancers" bis "Khartoum", fanden im Amerika mehr Anklang als die jüngsten Dramen aus den eigenen, amerikanischen Kriegen.
Und Geschichten aus dem Hause Windsor, umweht vom Flair eines Weltreichs, das einst ein Viertel der Menschheit umspannte, erweisen sich bis heute als höchst effektvoll bei Kritik und Publikum: melancholisch in "Mrs. Brown", verspielt in "Young Victoria", ironisch in "The Queen", grell wie ein Shakespeare-Drama in "The Madness of King George" — und jetzt auch in "The King's Speech".
Die amerikanischen Produzenten-Brüder Weinstein setzten auf diesen ganz britisch ausstaffierten Film so instinktsicher wie einst auf ihren "Englischen Patienten" und haben gewonnen: "Des Königs Rede" ist nicht nur ein Kassenerfolg, sondern erhielt sogar mehr (nämlich zwölf) Oscar-Nominierungen als "True Grit", der zuletzt auf der Berlinale gefeierte Western der Brüder Coen.
Hass-Liebe zum Sprachtherapeuten
Er sei einst selbst ein Stotterer gewesen, erklärt der Drehbuchautor David Seidler seinen Einfall, aus dem Kampf eines Prinzen gegen seine Sprech-Behinderung ein großes Drama zu entwickeln. Der Regisseur Tom Hooper inszenierte es in düsteren, korridorartigen Räumen. Und Colin Firth macht als dieser Prinz Albert von seinem ersten Auftritt an klar, dass er mit jedem Wort wie ums nackte Überleben kämpft.
Wenn er platzt vor Wut, kann er hemmungslos flüssig und ordinär fluchen — etwa bei der Aufforderung seiner akademischen Lehrer, mit einem Mund voller Marmorkugeln zu sprechen, denn so habe bekanntlich in der Antike Demosthenes die Kunst des flüssigen Redens erlernt. Der exzentrische Sprach-Therapeut, bei dem der Prinz schließlich landet, fordert mit immer neuen Grobheiten den wortreichen Zorn seines königlichen Patienten heraus: Geoffrey Rush spielt diesen Lionel wie eine krude Mischung aus Freud und Professor Higgins. Die Komik ihrer Begegnungen entsteht nicht etwa dadurch, dass der Prinz stottert, sondern durch seine vergeblichen Versuche, sich gegen die Aggressivität dieses Plebejers zu wehren, indem er sich in das Korsett seines aristokratischen Hochmuts zurückzieht.
Die beiden pendeln zwischen Feindseligkeit und Freundschaft wie Neil Simons "Seltsames Paar" und bilden den saftigen Kern eines Dramas, das zugleich in respektloser Spottlust und in schierer Ehrfurcht vor monarchischen Traditionen schwelgt.
Helena Bonham Carters wunderbares Porträt der unermüdlich hilfsbereiten, humorvollen Gattin des Stotterers ist eine Huldigung an die später so populäre "Queen Mom" (die 2002 als 101-Jährige starb), und des Stotterers ältere Tochter, die heutige Queen Elizabeth, ist ein kluges Mädchen, das den Vater ins Grübeln bringt: "Weißt du, wovon er spricht?" fragt sie angesichts einer Wochenschau, in der "Herr Hitler" sich in Ekstase brüllt. "Ich verstehe ihn nicht", antwortet der Vater, "aber er macht es gut". Da rückt das Talent zu ungehemmtem Reden ins Lächerliche.
Aber dann, am 3. September 1939, spricht George VI. seine Rede zur Kriegserklärung an Deutschland mit so makellos kühlem Pathos ins Mikrofon, dass jeder Zuschauer versteht: Ein Volk mit diesem König musste den Krieg gewinnen.
Bewertung: 4 von 5 Sternen