Shakespeare im Kino "Macbeth" - blutiges Mittelalterspektakel

Düsseldorf · Der Australier Justin Kurzel hat Shakespeares Königsdrama verfilmt und macht Michael Fassbender zum verrohten Krieger, der König werden will - und an seinen Ängsten zugrunde geht. Selten sah man das Mittelalter so naturalistisch.

Im Theater ist Gewalt abstrakt. Da mögen Schauspieler noch so sehr mit Fechtmeistern trainieren, mag das Kunstblut noch so üppig fließen, auf der Bühne geht es meist darum, Strukturen zu durchschauen, Mechanismen aufzudecken, mitzuerleben, wie Moral versagt, aber man beobachtet sie selten - die nackte Gewalt.

Das ist im Kino anders. Weil der Film auf Überwältigung setzen kann, so wie bei Justin Kurzel. Der australische Regisseur hat Shakespeares Königsdrama "Macbeth" verfilmt. Und er setzt ein Gemetzel mit den plumpen Waffen, der rohen Brutalität eines mittelalterlichen Kriegs an den Anfang - als blutige Ouvertüre, als Schlüssel für den gesamten Film.

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Die Kamera ist mitten unter den Kriegern, sie hockt im kalten Morast Schottlands, sieht zu, wie Männer schlottern vor dem Angriff und sich dann an die Gurgeln gehen. Mit angstirrem Blick. Mann gegen Mann. Bis eine grausige Ruhe ist über den dampfenden Feldern.

Das ist schrecklich, barbarisch und wirkt wahrhaftig in seiner Rohheit. Natürlich liegt es nahe, Kurzel zu unterstellen, er schiele auf die Actionserien der Gegenwart und habe einen "Macbeth" für die "Games of Thrones"-Generation inszeniert. Das stimmt auch, aber vor allem ist dieser Zugang schlüssig. Denn eigentlich versteht man Shakespeare nur, wenn man sich klarmacht, welche Verrohung Krieger in seiner Zeit erlebten. Wenn man vor Augen geführt bekommt, welche Höllenritte Macbeth hinter sich brachte, bevor er ein Tyrann seines Formats, ein Meuchler mit solch ungeheurem Blutdurst wurde.

Kurzel setzt das in weiten, fahlen Landschaften in Szene, tränkt seine Bilder auch mal in blutiges Rot und ist bei der Ausstattung auf Echtheit versessen. So naturalistisch hat man das Mittelalter selten erlebt. Vor allem gegen Ende übertreibt Kurzel es mit den farbsymbolgetränkten Bildern, irgendwann machen selbst Kinoschlachten stumpf. Doch zunächst reißt er den Zuschauer mit in eine andere Zeit. In andere Umstände. In die archaische Welt, in die Shakespeare seine Dramen baute.

Das wirkliche Kunststück dieses Films aber ist, zwei Hollywoodstars in diese Kulisse zu fügen, ohne dass sie wie Fremdkörper aus der Gegenwart wirken würden: Michael Fassbender und Marion Cotillard. Nur wenige Sekunden sieht man in Fassbender noch den Mann, der demnächst den Apple-Gründer Steve Jobs spielen wird. Dann ist er ein Krieger mit Geschick und Ehrgeiz, ein bärtiger Kämpfer mit Blutkrusten an der Stirn, der auf dem Schlachtfeld Mut beweist - und dafür seinen Lohn will. Und wenn er dafür im eigenen Lager mordet.

Aus demselben Holz ist die Lady Macbeth von Marion Cotillard geschnitzt. Sie will Macht und Ehre, sie will ins Königsschloss und weiß die Weissagungen hinter sich. Vor allem aber will sie einen Schmerz überwinden, der sie innerlich verwüstet: Die Macbeth haben ein Kind verloren. Was Shakespeare nur andeutet, wird bei Kurzel eine grausig stille Szene, in der ein Kind nach altem Brauch beigesetzt wird. Genau wie mit den Schlachtaufnahmen setzt Kurzel so ein Motiv in die Welt, das die spätere Entwicklung dieses Dramas plausibel werden lässt: Die machtversessenen Macbeth sind Außenseiter von Anfang an. Sie sind versehrt, ihres Fortlebens im Nachwuchs beraubt und rächen sich: Sie streifen alle Skrupel ab, fordern ein Stück Leben zurück, überlassen sich ihrem Hunger nach Ruhm, Einfluss, Wohlstand und scheuen auf dem Weg zum Promipaar keine Abscheulichkeiten.

Natürlich kehrt dann bald der Wahnsinn ein: Zu viel Blut wurde vergossen, zu viel Trauer nicht beweint, zu viele Ängste blieben unbesiegt; und nun treiben die Dämonen Macbeth in die Enge. So ist dieser verfilmte Shakespeare ein Actionthriller in historisch ferner Epoche und zugleich ein Psychodrama unserer Zeit. Und das fesselt, weil es bei Kurzel zusammengeht.

Dass ein Shakespeare auch ein modernes Kinopublikum zu packen vermag, hat natürlich mit der Gültigkeit seiner Stücke zu tun. Sie handeln von den destruktiven Kräften, die den Menschen ewig antreiben, von Neid, Angst, Ehrgeiz, Eifersucht, Rache. Shakespeare zeigt, wie diese Kräfte arbeiten, wie sie Menschen deformieren und in tragische Geschicke drängen.

Kurzel kehrt das noch drastischer hervor, indem er Shakespeare auf wesentliche Figuren reduziert und sie zum Spielball ihrer Ängste und ihres Aberglaubens macht. So ist etwa die Lady Macbeth von Marion Cottilard nicht nur eine kaltblütige Strategin. Sie ist auch eine altertümliche Hexe, die der Macht der eigenen Weissagungen und Rituale ausgeliefert ist. Dieser Shakespeare ist brutal, archaisch, schamanenhaft. Eine böse Geschichte aus einer anderen Zeit. Eine Mahnung für heute.

"Macbeth", USA 2015 - Regie: Justin Kurzel. Buch: Todd Louiso, Jacob Koskoff, Michael Lesslie. Kamera: Adam Arkapaw, Mit Michael Fassbender, Marion Cotillard, Paddy Considine. 113 Min.

(dok)
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