Späte Enthüllung brutaler Rassenpolitik in Australien "Long Walk Home"

Frankfurt/Main · Der australische Film "Long Walk Home" erzählt die Geschichte eines kleinen Mädchens, das in den 30er Jahren zum Objekt brutaler Erziehungspolitik wird. Ein sehenswertes, aber zutiefst erschütterndes Filmdrama.

Wohl alle Nationen haben düstere Geheimnisse wie beschämende Episoden in ihrer Geschichte vergraben. Das ferne, so westlich geprägte Australien macht da keine Ausnahme. Erst in jüngster Zeit haben die weißen Eroberer des Fünften Kontinents begonnen, sich mit der Misshandlung der Ureinwohner, den Aborigines, auseinander zu setzen. Ein besonders bewegendes Dokument dafür ist der australische Film "Long Walk Home" von Phillip Noyce, der ab 29. Mai in die Kinos kommt.

Erzählt wird in dem Film die Geschichte von drei kleinen Mädchen, deren Mutter Eingeborene, der Vater aber Weißer war. Es handelt sich also umso genannte Mischlingskinder. Und die waren in den 30er Jahren nicht nur ungern gesehen von den auf Rasse-Reinheit bedachten britischen Herren des Kontinents. Sie waren auch Objekt einer brutalen Erziehungspolitik: Mischlingskinder wurden von ihren Eltern getrennt, um sie in staatlichen Heimen zu Englisch sprechenden und christlich demütigen Hausangestellten und Farmarbeitern umzuerziehen.

Im westaustralischen Jigalong, einer öden, gottverlassenen Gegend, werden die Schwestern Molly und Daisy Craig sowie ihre Cousine Gracie Opfer dieses rassistischen Wahns. Trotz heftiger Gegenwehr der verzweifelten Mutter werden sie in ein von christlichen Schwestern autoritär geführtes Heim gebracht, wo sie auf viele andere kleine Leidensgenossen treffen. Oberster Aufpasser für die Durchführung dieser Maßnahme ist A. O. Neville. Aber er schützt nicht die Menschen, denen dieser riesige Kontinent Heimat war, bevor die Weißen kamen, sondern quält sie - wenngleich mit dem besten Gewissen und auch vorgeblich den besten Absichten.

Das müssen die kleinen Mädchen in dem Heim erfahren. Doch sie sind fest entschlossen, sich mit ihrer Unfreiheit nicht abzufinden. Und so ergreifen sie eines Tages die Flucht. Aber der Weg zurück zur Mutter ist endlos lang, und es gibt nur eine Orientierung dorthin: der Kaninchenzaun, der quer durch Australien läuft. Dessen Verlauf folgen sie, unterwegs erleben sie immer neue Abenteuer. Dazu werden sie verfolgt von einem Spurensucher, der die Tragik der Aborigines verkörpert, sich mit den weißen Herren nicht arrangieren zu können, ohne zum Verräter am eigenen Volk zu werden.

Noyce, von dem erst letzte Woche die meisterhafte Graham-Greene-Verfilmung "Der stille Amerikaner" angelaufen ist, hat mit hier zu Lande meist völlig unbekannten, beeindruckend agierenden Schauspielern, unter denen die junge Molly-Darstellerin Everlyn Sampi herausragt, ein zutiefst erschütterndes Filmdrama geschaffen. Die Verlorenheit der drei flüchtigen, von Molly immer wieder angetriebenen Mädchen in der menschenfeindlichen Landschaft ist von einer Eindrücklichkeit, die das Kino nicht oft vermittelt. Und wenn am Ende die inzwischen uralten Schwestern Molly und Gracie real und ungebrochenem Lebensmut zu sehen sind, muss sich niemand seiner Tränen schämen.

(RPO)
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