"Mammut" mit Michelle Williams Leid einer Luxusfamilie

(RP). In "Mammut" erzählt der schwedische Regisseur Lukas Moodysson von einem erfolgreichen Pärchen in New York: Sie ist Ärztin, er Spieleerfinder, die Tochter wird vom philippinischen Kindermädchen erzogen. Doch in deren Welt ist nichts in Ordnung und auch die New Yorker Idylle trügt.

Szenen aus "Mammut" mit Michelle Williams
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Szenen aus "Mammut" mit Michelle Williams

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Wer nette Leute kennen lernen will, der ist hier zunächst richtig. Denn Lukas Moodyssons neuer Film "Mammut" spielt in einer Welt, die auch für einen Werbeclip für die neuesten Apple-Produkte aufgebaut worden sein könnte. Wobei das Paar, um das es geht, natürlich auch iPod-Playlists tauscht, was als moderne Form des Küssens erscheint, der vertrauten, intimen Berührung. Leo und Ellen, beide Mitte 30, sind wohlhabend, aber keine Müßiggänger. Leo (Gael Garcia Bernal) hat erfolgreiche Computerspiele entwickelt. Er ist einer der jungen Kreativen, für die soziale und kulturelle Veränderungen keine Bedrohungen sind, sondern neue Chancen bieten. Ellen (Michelle Williams) arbeitet als Ärztin in einem Krankenhaus in New York.

Erfolgsleben mit Schattenseiten

Dass dieses erfüllte Leben auch seine Schattenseiten hat, merken wir früh. Die achtjährige Tochter Jackie (Sophie Nyweide), ein talentiertes, aufgewecktes Kind, wie man es sich in diesen Kreisen nicht nur wünscht, sondern wie man es mit allen Mitteln der frühen Stimulation heranzuziehen versucht, wird nämlich eher vom philippinischen Kindermädchen Gloria (Marife Necesito) groß gezogen. Aber solche Schattenseiten würden sich viele wünschen, denn Gloria ist umsichtig, engagiert und herzlich, wenn auch in den Pausen der kontrollierten Freundlichkeit von einer merklichen Melancholie umflort.

Der Schwede Moodysson wird uns zeigen, was Gloria Sorgen macht. Er wird uns eine Familie in ganz anderen Verhältnissen zeigen. Das tut er mit der gleichen Delikatesse, mit der er das New Yorker Wohlhabendenleben vor uns ausbreitet, und man darf sicher sein, er tut das aus einer Haltung des Respekts heraus. Nur hat dieser Wunsch nach der richtigen Haltung etwas unglaublich Beflissenes, wie die ganze Ästhetik, Skepsis und Glückshinterfragung dieses Films etwas höchst Musterschülerhaftes hat. Moodysson scheint hier keinen Film zu drehen, an dem sein Herz hängt, er scheint sich redliche Mühe zu geben, den Film zu schleifen und zu polieren, von dem man ihm eingeredet hat, die Herzen vieler anderer würden sich daran hängen

Elend hinter der Glanzfassade

Der Titel des Films bezieht sich auf ein kleines, feines Stück Luxus. Leo und sein Geschäftspartner wollen ihre Firma verkaufen. Dazu fliegen sie nach Bangkok, wie man früher zwei Städte weiter fuhr. Wir sind im Kopf schließlich alle Global Player geworden. Die Businessleute um ihn her leben das allesamt ein wenig lauter, greller, breitspuriger als Leo, und so schenkt ihm sein Partner zur Vertragsunterzeichnung einen Edelfüller, dessen Korpus zum Teil aus den Stoßzähnen von Mammuts gefertigt ist.

Die Symbolik ist trefflich, aber sie wird hier schon wieder so weihevoll zelebriert, das sie einem auf die Nerven geht. Der Mammutfüller ist zunächst einmal durch den schieren Preis exklusiv. Er ist auch ein wenig dekadent, weil man das Zeugnis anderer Epochen nicht einfach so zwischen die Finger klemmt, als habe einem die ganze Welt, also auch schon die Vorzeit, im Hier und Heute dienstbar zu sein. So ein Füller ist aber auch ein Menetekel, eine Prophezeiung des Untergangs: die Mammuts sind irgendwann vom Gang der Erdgeschichte weggewischt worden. Also pass bloß auf, Global Player!

Edelfüller aus Mammutzahn

Lukas Moodysson hat sich bislang nicht unter den Reichen bewegt. "Raus aus Amal", "Zusammen" oder "Lilja 4-ever" haben von normalen kleinen Leuten, von alternativen Karriereverweigerern, von ganz armen Schweinen und modernen Sklaven erzählt, und zwar jedes Mal sehr eindrucksvoll. Was "Mammut" mit diesen früheren Werken verbindet, ist die Kinderperspektive: Moodysson erzählt von Leuten, die noch nicht ganz hineingehören in die Welt um sie her, für die das Chancen birgt, aber auch Gefahren. Manchmal wünscht man sich darum, der Film würde das Temperament, die Offenheit, die Naivität von Jackie übernehmen, um dieser durchdesignten Welt der guten Bürger, die ihr Leben als Kunstwerk anlegen, frische Aspekte abzugewinnen.

Aber Moodysson weiß zu viel, er will sich nicht verstellen, und er muss ja auch noch ganz sozial bewusst vom kontrastierenden Dasein der armen Leute berichten, deren Lebensweg sich eben doch mit unseren behüteten Figuren kreuzen. Das ist sehr anständig gemacht, kunstvoll sowieso, aber leider auch gediegen langweilig.

Bewertung: 3 von 5 Sternen

(RP)
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