Familienfilm "Tom Sawyer" von Hermine Huntgeburth Lausbubengeschichte ohne Dramatik

Das ist das Problem, das mancher Zuschauer mit diesem Film haben wird: Er sieht nicht das Eigentliche, das in eine Abenteuergeschichte verpackte soziale Drama also, das die Menschen seit dem ersten Erscheinen von Mark Twains Romanvorlage 1876 fasziniert.

Was bei "Tom Sawyer" in der Kinofassung von Hermine Huntgeburth hingegen ins Auge fällt, sind das Kulissenhafte, das Nachgespielte und die Pose. Huntgeburth holt "Tom Sawyer" zu uns herüber, nicht nur räumlich, aber das Geheimnis nimmt sie nicht mit.

Dabei ist diese Adaption durchaus redlich. In Neuruppin fand man eine Landschaft, die mit viel Wohlwollen als Mississippi-Ufer durchgeht. In Rumänien durfte man die liegengebliebenen Kulissen der Hollywood-Produktion "Unterwegs nach Cold Mountain" benutzen. Auch die Schauspieler engagieren sich, allen voran Heike Makatsch als Tante Polly und Benno Fürmann als Indianer Joe.

Zu glattpoliert

Was indes fehlt, sind Schmutz und Gestank. Die jugendlichen Hauptdarsteller Louis Hoffmann als Tom und Leon Seidel als Huck machen ihre Sache gut, doch sie wirken geschminkt und allzu akkurat verlumpt. Alles ist so gut ausgeleuchtet und makellos den Südstaaten nachempfunden, die Farben leuchten streberhaft, und wenn man nur diesen Film kennen würde, man käme auf die Idee, "Tom Sawyer" wäre nichts als eine wackere Lausbubengeschichte.

Vor zwei Jahren verfilmte Huntgeburth Fontanes "Effi Briest", und damals empfanden viele Zuschauer Ähnliches: Die Tragik der Fabel erschloss sich nicht. Huntgeburth adaptierte wortgenau, aber das Leuchten zwischen den Zeilen übersah sie. Das war kein Klassiker auf der Leinwand, sondern ein Bestseller. "Tom Sawyer" nun ist ein braver Familienfilm, dem man keine handwerklichen Mängel vorwerfen kann. Die Ästhetik ist sonntagnachmittäglichen Fernsehspielen entlehnt, der Ursprung klingt nur mehr als Zitat an.

(RP/rm)
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