Kinofilm „So wie du mich willst“ Er sieht sie nicht

In „So wie du mich willst“ gibt sich eine 50-Jährige im Internet als jüngere Frau aus.

 Juliette Binoche als Claire und Francois Civil als Alex während einer Begegnung, die keine ist.

Juliette Binoche als Claire und Francois Civil als Alex während einer Begegnung, die keine ist.

Foto: dpa/-

Als geschiedene Frau um die 50 und Mutter zweier pubertierender Söhne fühlt sich Claire (Juliette Binoche) ungeliebt. Sie hat zwar eine Affäre mit dem deutlich jüngeren Ludo (Guillaume Gouix), aber der schaut nur für gelegentlichen Sex vorbei. Was macht die Frau von heute in einer solchen Situation? Sie sucht ihr Glück im Internet. Mit einem Fake-Profil meldet sich Claire bei Facebook unter dem klangvollen Namen Clara Antunès – geboren 1993 – an. Eigentlich will sie nur Ludo näher sein, als sie eine Freundschaftsanfrage an dessen Mitbewohner Alex (François Civil) schickt. Ein paar Likes später hat sie den jungen Fotografen an der Angel.

Das grüne Licht, das anzeigt, dass Alex online ist, wird für sie bald zur Droge. Von Chat zu Chat baut sie für sich und Alex eine virtuelle Existenz aus und schickt ihm sogar das Foto ihrer 24-jährigen Nichte als Beleg. Aus dem Online-Flirt wird eine Telefonbeziehung, und natürlich drängt der fernmündliche Geliebte auf ein Treffen in der realen Welt. Als Claire ihn nicht länger hinhalten kann, eilt sie zur Verabredung am Bahnhof. Aber der junge Mann, der direkt vor ihr steht, schaut an ihr vorbei, weil seine Augen nach einem 24-jährigen Phantom suchen. Vollkommen unsichtbar ist Claire für den Mann, der sie zu lieben glaubt, und sie bringt es nicht übers Herz, die Wahrheit ans Licht zu bringen. All das berichtet Claire ihrer neuen Psychologin.

Der scheinbar abgegriffene Erzählkniff ist in Safy Nebbous „So wie du mich willst“ weit mehr als eine konventionelle Rahmenhandlung. Wenn die Ereignisse ins große Liebesdrama münden, verbinden die Therapiesitzungen zwei weitere Erzählebenen, die das Gesehene neu bewerten. Die Wahrheit der virtuellen Liebe wird hier mit durchaus eleganten Plot-Schlenkern sukzessive freigelegt.

Der Film nach dem Roman von Camille Laurens spielt erfolgreich mit der Macht der subjektiven Erzählperspektive, ohne in Drehbuch-Hokuspokus zu verfallen. Eigentlich sieht Juliette Binoche viel zu jung für die Rolle der verzweifelten Frau mittleren Alters aus. Aber sie ist in der Lage, das perlende Liebesglück ihrer Figur genauso überzeugend darzustellen wie das Gefühl abgrundtiefen Verlassenseins, das Claire mit der virtuellen Affäre zu bekämpfen versucht. Jede Szene gehört Binoche, und die Kamera schenkt ihr jene unbedingte Aufmerksamkeit, die ihrer Heldin von der sozialen Umgebung verwehrt wird. Nach dem Science-Fiction-Film „High Life“, der Ensemblekomödie „Zwischen den Zeilen“ und der japanischen Esoterik-Exkursion „Die Blüte des Einklangs“ ist dies schon Binoches vierter Auftritt in diesem Kinojahr. Von einer künstlerischer Midlife-Crisis bleibt die 55-jährige Schauspielerin offensichtlich verschont.

So wie du mich willst, Frankreich 2019, von Safy Nebbou, mit Juliette Binoche, François Civil, Guillaume Gouix, 101 Minuten

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