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Kino-Kritik Kalauer aus dem Kalten Krieg

Düsseldorf (RP). Zum Auftakt steht Tom Hanks ganz klein vor einer riesigen amerikanischen Fahne, genau wie einst (1970) George C. Scott als "Patton" in Franklin Schaffners furiosem Spektakel über Amerikas berühmten Panzergeneral im Zweiten Weltkrieg. In beiden Fällen folgen patriotische Ansprachen mit einem zur Komik übersteigerten Pathos. Beide Szenen eröffnen Filme, die Geschichte als unterhaltsame Farce erzählen – aber zugleich als erbauliche Lehrstücke über die unbändige Kraft kauziger Einzelgänger, die den Verlauf der Geschichte ändern.

 Tom Hanks und Julia Roberts in "Der Krieg des Charlie Wilson".

Tom Hanks und Julia Roberts in "Der Krieg des Charlie Wilson".

Foto: Universal

Düsseldorf (RP). Zum Auftakt steht Tom Hanks ganz klein vor einer riesigen amerikanischen Fahne, genau wie einst (1970) George C. Scott als "Patton" in Franklin Schaffners furiosem Spektakel über Amerikas berühmten Panzergeneral im Zweiten Weltkrieg. In beiden Fällen folgen patriotische Ansprachen mit einem zur Komik übersteigerten Pathos. Beide Szenen eröffnen Filme, die Geschichte als unterhaltsame Farce erzählen — aber zugleich als erbauliche Lehrstücke über die unbändige Kraft kauziger Einzelgänger, die den Verlauf der Geschichte ändern.

Tom Hanks wird als Kongressabgeordneter Charlie Wilson von der CIA geehrt mit einer Ansprache, die ihn zum Sieger über die ganze Sowjetunion verklärt. Mit der Rückblende in diesen 1980 begonnenen "Krieg des Charlie Wilson" wendet sich Regisseur Mike Nichols einem Terrain zu, das er schon in "Primary Colors" (1998) mit effektvollem Witz geschildert hat: So wie damals John Travolta als ein Politiker à la Clinton mit Frauenaffären seine Wahl zum Präsidenten gefährdete, wird hier der Abgeordnete Charlie Wilson, ein lebenslustiger Junggeselle aus Texas, von peinlichen Fragen nach einer wilden Nacht mit Stripperinnen, Alkohol und Kokain bedrängt.

Doch das lenkt Charlie kaum noch ab von seinem soeben geweckten Ehrgeiz, die Sowjets aus Afghanistan zu vertreiben. Die afghanischen Freiheitskämpfer brauchen mehr als altmodische Waffen für ein paar Millionen Dollar, findet er, und weil er auch im Ausschuss für die Bewilligung von CIA-Operationen sitzt, sorgt er dafür, dass dort nicht mehr Millionen, sondern Milliarden für die Lieferung moderner Waffen abgenickt werden.

Sein wichtigster Helfer wird Gust, ein verbitterter CIA-Agent, der seinem Vorgesetzten aus Wut über eine verweigerte Beförderung das ganze Büro demoliert. Er rächt sich an seinen hochnäsigen Kollegen, indem er als Charlies Verbündeter die ganze CIA in den teuersten verdeckten Krieg ihrer Geschichte hineinzieht.

Philip Seymour Hoffman, das chamäleonhaft wandelbare Schauspielgenie, spielt diesen derben Geheimdienst- Routinier mit gewohnter Freude an zugespitzter Hässlichkeit: ein dicker Prolet aus dem Fußvolk des Kalten Kriegs, immer leicht verschwitzt in seinen schlecht sitzenden Anzügen an der Seite des burschikos eleganten Lebemanns Charlie. Ein wendiger Tom Hanks wird ohne eine Spur von "Forrest-Gump"-Naivität zum ebenbürtigen Partner dieses von Frust und Wut zerfressenen Hoffman.

Sie lassen ein Feuerwerk zynischer Pointen funkeln, die Aaron Sorkin schrieb, der Schöpfer der im Weißen Haus angesiedelten Fernsehserie "West Wing". Sorkin filterte aus dem (2003 veröffentlichten) Buch "Charlie Wilson‘s War" des Reporters George Crile ein amüsantes Dialogstück, bei dem nur der Plot daran erinnert, dass nicht eine fabelhafte Erfindung, sondern jüngste amerikanische Geschichte mit authentischen Hauptfiguren erzählt wird.

Den ausgefeilten Dialogen entspricht die Inszenierung von Mike Nichols. Realitätsbezüge lösen sich auf in totaler Künstlichkeit, mit dem Höhepunkt einer Julia Roberts unter riesiger blonder Perücke als einer theatralischen Mischung aus eiskalter Salonschlange und fanatischer Kommunistenhasserin. Sie beflügelt Charlie mit Sex-Einlagen zu antisowjetischen Taten und verschafft ihm Zugang zu so eigenwilligen Herren wie Zia ul-Haq, der hier kein abstoßender pakistanischer Diktator, sondern treuer Grenzwächter der westlichen Welt ist. Nur manchmal wird diese elegante Stilisierung zerstört — etwa durch sentimental ausgemaltes afghanisches Flüchtlingselend oder durch die allzu schrill zum fröhlichen Tontauben-Schießen verfremdete Jagd der endlich mit Stinger- Raketen bewaffneten Mudschaheddin auf sowjetische Hubschrauber.

Nach dem Abzug der Sowjets bettelt Charlie Wilson bei seinen Ausschuss- Kollegen vergeblich um eine bescheidene Aufbauhilfe für das kriegszerstörte Afghanistan. Zum Ausklang wird daran erinnert, dass die einstigen Freiheitskämpfer nun als wackere Gotteskrieger ihre Waffen gegen die amerikanischen Spender richten. "Wir haben das Endspiel vergeigt", spottet Charlie Wilson über die späte Erkenntnis, den kommunistischen Teufel mit einem islamistischen Belzebub ausgetrieben zu haben.

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