"In meinem Kopf ein Universum" im Kino Eingesperrt im eigenen Körper

Düsseldorf · Mateusz kann nicht gehen. Mateusz kann nicht sprechen. Mateusz ist geboren in einen Körper, der ihn in seiner spastischen Spannung gefangen hält.

In meinem Kopf ein Universum: Mateusz kann nicht gehen und nicht reden
Foto: dpa, sab

Dabei ist sein Geist wach, sein Empfinden fein, sein Wille stark. Aber die anderen verstehen ihn nicht, und als die Mutter ihn in die Klinik schleppt, weil sie doch spürt, dass ihr Kind hellwach ist, da muss sie dieses rüde Urteil hören: "Er ist nur Gemüse." Und dann sagt die Therapeutin noch, dass sie sich damit abfinden soll.

Abfinden muss sich vor allem Mateusz mit seinem Schicksal, auf sich selbst zurückgeworfen zu sein. Für Jahrzehnte wird er als geistig behindert gelten, unfähig, sich gegen die Fehleinschätzung zu wehren. Und so verlegt er sich darauf, die Welt zu beobachten und aus dem Alltag zu saugen, was ihn weiterbringt. Davon erzählt der polnische Regisseur Maciej Pieprzyca in einem stillen, anrührenden Film, der den Zuschauer sacht in die Perspektive des abgeschotteten Jungen bringt. Denn im Film hat Mateusz eine Stimme, er kann seine Sicht auf die Dinge ausdrücken und tut das mit einem Humor, der viel rührender ist als alles Pathos. Mateusz ist kein Genie wie Steven Hawking. Der Zuschauer erlebt auch nicht das gnadenlose Fortschreiten einer Erkrankung wie in dem gerade mit einem Oscar prämierten Film "Die Entdeckung der Unendlichkeit".

Das polnische Drama "In meinem Kopf ein Universum" erzählt umgekehrt, wie ein körperlich behinderter Junge heranwächst und sich nicht entfalten kann, weil seine Umwelt für Menschen wie ihn noch nicht bereit ist. Mateusz wird im Polen der 80er Jahre groß, sein Vater muss den Rollstuhl für sein Kind aus Kinderwagen-Bestandteilen zusammenschrauben, Therapien für das Kind gibt es nicht. Da ist das Drama auch Zeitdokument. Und als der Vater bei einem Unfall stirbt, die Mutter bald körperlich überfordert ist, landet Mateusz in einem Heim für geistig behinderte Menschen.

Er verliert die Wärme einer Familie, die Pieprzyca in heiter-melancholischen Episoden weise porträtiert. Doch der Junge gibt nicht auf. Er wartet auf den Tag, da es eine Brücke geben wird zwischen ihm und den anderen. Und der Tag ist da, als eine Therapeutin mit Sprachtafeln in das Heim kommt - und den klugen Menschen in Mateuszs gekrümmtem Körper entdeckt.

"In meinem Kopf ein Universum" erzählt eine wahre Geschichte, der reale Mateusz ist im Abspann zu sehen zusammen mit dem großartigen Hauptdarsteller Dawid Ogrodnik. Er ist der Kern eines Dramas, das sich nicht weidet an einem Schicksal, sondern von Lebensmut erzählt. Gegen alle Widrigkeiten.

(RP)
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