Komödie "Kleine wahre Lügen" im Kino Geschlechtsreife Großstädter

Düsseldorf (RP). Sommer am Cap Ferret. Wie jedes Jahr hat der gestresste Restaurantbesitzer Max seine Freunde in sein Strandhaus eingeladen. Freunde, von denen er vieles weiß, aber einiges nicht wahrhaben will. "Kleine wahre Lügen" ist ein wunderschöner Film über geschlechtsreife Großstädter.

Lächelnd und ziemlich zugedröhnt streift Ludo (Jean Dujardin) durch die Disco. Ein paar Wörter hier, ein paar Küsschen da, dann verabschiedet er sich, geht hinaus in die Morgendämmerung.

Die Kamera ist immer bei ihm, auch wenn er sich nun aufs Motorrad setzt und sich seine gerade noch euphorische Miene während der Fahrt langsam versteinert – so, als würde das Leben aus ihm herauslaufen: Dann bleibt die Kamera doch zurück, denn Ludo wird an einer Kreuzung von einem Laster erfasst. So stehen seine Freunde am Krankenbett, überlegen, ob sie den gemeinsam geplanten Urlaub ausfallen lassen, und fahren dann trotzdem und wie jedes Jahr ans Meer.

Die meisten sind ja noch jung

Der Tod hat bei dieser Clique angeklopft, aber die meisten sind ja noch jung, so Mitte dreißig, sie können ihn noch gut verdrängen, so gut wie alles andere auch. Denn wie es die Eingangssequenz und der Titel von Guillaume Canets exzellentem Film schon andeuten: der Schein kann trügen, das behauptete Glück nur Lebenslüge sein.

Der Hoppla-hier-komm-ich-Typ Eric (Gilles Lellouche) etwa kaschiert lautsprecherisch berufliche Misserfolge. Die so selbstbewusst wirkende Marie (Marion Cotillard) leidet unter Bindungsangst, der frisch verlassene Antoine (Laurent Lafitte) belästigt alle mit seinen SMS-Nachrichten.

Und der wohlhabende und schon etwas ältere Aufsteiger Max (Francois Cluzet), der wieder sein Anwesen am Cap Ferret zur Verfügung gestellt hat, ist diesmal besonders gereizt: kurz vor der Abfahrt hat ihm der Familienvater Vincent (Benoit Magimel) gestanden, dass er in ihn verliebt ist.

"Kleine wahre Lügen" verdichtet Raum und Zeit, in diesem Urlaub wird es für die Protagonisten so eng, dass verborgene Wünsche, Sehnsüchte und Egoismen nicht mehr unter Verschluss zu halten sind.

Die flirrende Atmosphäre eines Sommernachmittags

Trotz allem verbreitet sich bald Ferienstimmung, spürt auch der Zuschauer die flirrende Atmosphäre eines Sommernachmittags, sitzt abends mit auf der Terrasse, wenn der Wein herumgeht und auch klar wird, wie sehr diese Freunde letztlich aneinander hängen. Sehr, sehr französisch, dies alles, auch wenn die Tonspur auf Chansons verzichtet, dafür aber voller kommentierender Songs von David Bowie, The Band oder Frank Sinatra steckt.

Ganz unangestrengt lässt der Regisseur, der sich viel, aber nicht zu viel Zeit nimmt, auch Komisches einfließen. Gegen Ende – und noch bevor sich der Film in ein tränenreiches Finale förmlich hineinschluchzt – schauen die Freunde doch zurück, sitzen auf Sofas herum, führen sich wehmütig Videos von früheren Urlauben vor, ahnen wohl auch, dass es nicht ewig so weitergehen wird.

Jetzt sind sie, so wie der ganze Film, von einer leicht melancholischen Grundstimmung erfasst. Und dennoch scheint uns Guillaume Canet zu bedeuten: Ja, das Leben ist voller Probleme – aber gibt es denn überhaupt ein anderes, ein besseres Leben?

Unsere Bewertung: Vier von fünf Sternen

(RP)
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