Kino-Kritik GAU im Gesellschaftslabor

Düsseldorf (RP). Der Weltuntergang wird auch von Woche zu Woche langweiliger. Denken wir uns so, wenn die Unterhaltungsindustrie wieder mal uninspiriert an unserem Unbehagen herumzupft, die verschwenderische Zivilisation lebe nur noch auf Pump.

Frank Darabonts Spielfilm "Der Nebel" aber ist anders als der übliche Rumms-jetzt-geht-das-Lichtaus- Schocker, frisch gruslig, schneidend misstrauisch, verwegen kompromisslos. Und das, obwohl sich diese aufwändige Verfilmung einer Stephen-King-Erzählung getreulich an Mustern des B-Films der 50er Jahre orientiert.

Wir werden in eine idyllische amerikanische Kleinstadt für selige Provinzler und wohlhabende Pendler geführt. Die Militärbasis nebenan taucht im Denken der Menschen kaum auf: alles nette Jungs dort, die mit ihren Biereinkäufen den Umsatz im örtlichen Supermarkt erhöhen. Aber dann bricht ein Unwetter über die Gegend herein, dessen Wüten man als Aufbäumen der Natur oder als Zorn des Himmels deuten kann. Jedenfalls geht mehr schief, als dass ein paar Strommasten umkippen.

Eine geheime Anlage auf der Militärbasis havariert, was den Zivilisten zunächst nicht auffällt. Die stört nur der dicke Nebel, der heranwabert. Nach kurzer Zeit aber hat Darabont ("Die Verurteilten", "The Green Mile") eine ganze Schar Bürger im nebelumschlossenen Supermarkt in höchst symbolischer Lage festgesetzt. Draußen vor den Glasscheiben der Konsumgesellschaft ist die Welt undurchsichtig geworden. Alles gerade noch Vertraute erscheint bedrohlich, erste Zeugenaussagen von Flüchtlingen aus dem heranrückenden Dunst weisen auf schauerliche, wenn auch noch unbegreifliche Gefahren für Leib und Leben.

"Der Nebel" greift also das Gefühl auf, die Welt sei nicht mehr sicher, sondern eine Dauerkriegszone, durch die wir uns als Ziele bewegen. Nur erzählt Darabont nicht allein vom grusligen Draußen, sondern auch vom unerträglichen Drinnen. Sein Supermarkt ist ein Gesellschaftslabor, dessen Zwangsgemeinschaft der eigentlich zu gemeinsamem Handeln Aufgerufenen von tiefen Konflikten zerrissen wird.

Die Kamera wird freudig polemisch, wenn sie die religiösen Fundamentalisten zeigt, die unnütze Interpretationen der Situation mit Attacken gegen die Andersdenkenden kombinieren. Die Fundis zeigt die Kamera in Unruhe, ihre Prophetin (Marcia Gay Harden) erfasst sie in Bewegung, während sie den Pragmatiker David Drayton (Thomas Jane) durch feste Bildeinrahmungen zum soliden Bezugspunkt macht.

Drayton bekommt es mit vielen Gegnern zu tun, mit pöbelnden Proleten und selbstherrlichen Funktionseliten. Deren Uneinsichtigkeit hält noch an, als die Drohung schon Gestalt hat. Die Monster draußen sind nicht nur losgebrochene Bestien, sie bewegen sich mit einer Souveränität, als seien im Zeitraffer Epochen vergangen, als sei die Ära der Supermarktamerikaner abgelaufen. Und so sollte man nicht vorschnell aufs Ende tippen. Sehr grimmig erzählt "Der Nebel", wie bedrohte Menschen falsche Entscheidungen treffen.

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