Afghanischer Alltag aus Frauensicht Fünf Uhr am Nachmittag: Afghanistan ohne Taliban

Nach dem Sturz der Taliban scheint der jungen Noqreh (Aghele Rezaie) alles möglich, und ihr großes Traum ist es, Präsidentin zu werden. Was zu Zeiten des Krieges für eine Frau selbst in Gedanken bereits schön tödlich hätte enden können, bedeutet für die 20-jährige Afghanin inmitten der Kabuler Trümmern den ersten Schritt zur Freiheit.

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes haben sich die Zeiten geändert und Noqreh kann ihre Wünsche zumindest in der Schule offen äußern. Außerhalb der Bildungsstätte halten sich ihre Freiheiten allerdings weiterhin in Grenzen. Besonders Noqrehs Vater (Abdolgani Yousefrazi) ist ein Traditionalist, der sich immer noch beschämt abwendet, wenn er eine unverschleierte Frau erblickt. Offen sehnt er sich nach einem islamistischen Halt zurück.

In "Fünf Uhr am Nachmittag" schildert die Iranerin Samira Makhmalbaf das kontroverse Verhältnis einer weltoffenen Frau zu ihrem konservativen Vater. Der Film ist dabei mehr als ein Familiendrama in karger Landschaft. Die 24-jährige Regisseurin will das Publikum gezielt auf die gegenwärtigen Lebensverhältnisse in Afghanistan aufmerksam machen. Damit tritt sie in die Fußstapfen ihres Vaters Mohsen Makhmalbaf, der mit "Reise nach Kandahar" (2001) das Land kurz vor den Terroranschlägen vom 11. September in den Blickpunkt rückte.

"Fünf Uhr am Nachmittag" ist nun die erste internationale Filmproduktion in Afghanistan seit dem Sturz der Taliban. Samira Makhmalbaf wirft dabei einen äußerst resignierten Blick auf die aktuelle Situation. In Interviews verweist sie gerne auf den Actionfilm "Rambo 3" (1987), in dem ein Einzelkämpfer auf einen Schlag das gesamte Land befreit - und alles wird gut.

In Makhmalbafs Film sieht die Realität dann aber doch ganz anders aus. Die Bombenangriffe haben nicht nur die Häuser in Schutt und Asche gelegt, sondern auch einen emotionalen Trümmerhaufen hinterlassen. Im heutigen Kabul treffen selbstbewusste Menschen und aufgeschlossene Poeten auf extreme Traditionalisten. Makhmalbaf schildert diesen gesellschaftlichen Konflikt relativ nüchtern, ohne Vorwürfe in jedwede Richtung zu machen.

So werden Männer nicht nur als Unterdrücker gezeigt, sondern ebenso als Opfer des früheren Regimes. Trotz des düsteren Stimmungsbildes, das den Zuschauer mit einem schwermütigen Gefühl aus dem Kino entlässt, liefert "Fünf Uhr am Nachmittag" ein beeindruckendes Bild eines zerklüfteten Land im Umbruch. Bei den Filmfestspielen von Cannes 2003 erhielt Makhmalbaf dafür den Spezialpreis der Jury und den Preis der ökumenischen Jury.

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