Kinoüberraschung "Fack ju Göhte" Pauker-Komödie für die Gegenwart

Düsseldorf · Die deutsche Kino-Farce "Fack ju Göhte" lockte in 17 Tagen 3,2 Millionen Menschen in die Kinos. Der Erfolg ist verdient.

 Elyas M'Bare überzeugt als prolliger Lehrer.

Elyas M'Bare überzeugt als prolliger Lehrer.

Foto: dpa, Christoph Assmann, Constantin

Vielleicht wird man dereinst sagen, dieser Film war der Anfang, mit ihm wurde die deutsche Komödie allmählich, was Komödien definitionsgemäß sein sollten und in anderen Ländern längst sind: lustig. "Fack ju Göhte" heißt das neue deutsche Kinowunder; vor 17 Tagen ist der Film angelaufen, seitdem haben ihn 3,2 Millionen Menschen gesehen, und die meisten wurden nicht enttäuscht.

Der 35 Jahre alte Bora Dagtekin hat für "Fack ju Göhte" das Drehbuch geschrieben und auch Regie geführt, und wer seine TV-Serien "Doctor's Diary" und "Türkisch für Anfänger" kennt, der weiß, dass dieser Mann mit seltenen Talenten gesegnet ist: Er kann Klischees aufpusten und sie dann platzen lassen wie Kaugummi-Blasen. Und er kann Dialoge schreiben, die sich anhören, als seien sie aus der Wirklichkeit geklaut. So wie bei ihm sprechen die Leute tatsächlich auf der Straße. Dass es dabei eher derb zugeht als feingeistig, liegt in der Natur der Sache.

Aber man muss sich die Situation vorstellen, die Szenerie, in der diese Sätze fallen, man muss sich die Persönlichkeit des Sprechers vor Augen halten, und dann sind diese Zeilen so wahrhaftig wie Verse des frühen Udo Lindenberg. Jene etwa, die der Türke Cem in "Türkisch für Anfänger" zu dem deutschen Mädchen sagt, das seine Stiefschwester wird, weil sein Vater sich in ihre Mutter verliebt: "Ich habe dich richtig gern. Nicht so wichsvorlagengern, sondern so tagebuchgern." Mehr Romantik ist unter diesen Vorzeichen nicht möglich, und auch wenn gerade kein Wörterbuch zur Hand ist, wird man ja zum Ausdruck bringen dürfen, dass man die Sterne schön findet.

M'Barek als Lehrer zieht ungemein

Die Rolle des Cem spielte damals Elyas M'Barek. Der 31-Jährige übernimmt auch die Hauptrolle in "Fack ju Göhte", er ist Zeki Müller, der aus dem Knast entlassen wurde und das Geld aus dem Bankraub holen will, das seine Freundin vor der Verurteilung vergrub. Inzwischen wurde über dem Versteck allerdings eine Turnhalle errichtet, sie gehört zur Goethe-Gesamtschule im großstädtischen Problembezirk. Müller bewirbt sich dort als Hausmeister, aber der Zufall will, dass sich soeben eine Pädagogin aus Verzweiflung aus dem Fenster gestürzt hat, deshalb wird er als Hilfslehrer eingestellt — die Papiere kann er nachreichen. So nimmt das Lustspiel seinen Lauf, es ist eine Burleske, eine Schwejkiade, und sie handelt davon, wie ein Kleinkrimineller mit Streberbrille das deutsche Schulsystem zum Besseren wendet.

Im Grunde kehren Bora Dagtekin und sein Team das Prinzip der Paukerfilme aus den 60er Jahren um. "Haut die Schüler in die Pfanne" könnte der Film auch heißen, Zeki Müller überlistet die unregierbar scheinenden Chantals und Kevins, plötzlich spielt der Lehrer die Streiche. Schwänzer holt er zurück ins Klassenzimmer, indem er mit der Paintball-Pistole auf sie feuert, und Disziplin fordert er ein, indem er sich derselben Phrasen bedient, die auch auf dem Schulhof gesprochen werden: "Chantal, heul leiser!". In "Fack ju Göhte" wedelt der Schwanz mit dem Hund.

Die Zähmung des Prekariats mit den Mitteln der Comedy birgt natürlich Tücken, aber "Fack ju Göhte" hat etwas, das die Produktion von anderen Komödien, denen Til Schweigers zumal, abhebt: Timing. Zwischen Boshaftigkeit und Botschaft ist hier wenig Platz, Stereotypen werden ausgespielt, um sich über sie lustig zu machen. Uschi Glas, die einst in "Immer Ärger mit den Paukern" als Schülerin auftrat, ist als Lehrerin überfordert. Katja Riemann gibt als Direktorin den Theo-Lingen-Ersatz, und alle geben dem Klamauk etwas Augenzwinkerndes, wie man das aus US-Highschool-Filmen kennt. Sie schaffen damit Elyas M'Barek eine Bühne, er ist eine Wucht und balanciert gefühlsecht zwischen Sentiment und Coolness. Barek spielt, ohne allzu sehr auf seine Andersartigkeit stolz zu sein. In diesem Schelmenstück ist er der Crocodile Dundee, der patente Anpacker und ausgekochte Problemlöser. Und wie gut er auch die Leute vor der Leinwand um den Finger wickelt, merkt man, wenn in einer späten Szene ein Kind seine Hand nimmt und sich von ihm über die Straße führen lässt. Aus hart wird zart: "Aaah!" und "Oooh!" macht es im Saal.

Dritter Akt mit Problemen

Dieses letzte Drittel, das Finale von Zusammenprall-Annäherung-Versöhnung, ist zugleich das Problem des Films. Er bemüht sich um Ausgleich auf eine fast anbiedernde, in jedem Fall aber enttäuschende Art. "Fack ju Göhte" ist in seinen besten Momenten bittere Farce, ein schön verpacktes Stück Sarkasmus. Einmal kündigt Zeki Müller etwa eine Exkursion an, er will die Schüler auf das Leben vorbereiten, sie zu Hartz-IV-Empfängern und Drogenkranken führen, aber sie denken, es gehe wieder an die üblichen Orte vorschriftsmäßiger Betroffenheit, also stöhnt das Mädchen im Jogginganzug: "Nicht schon wieder KZ!". Das ist unfassbar böse, sagt aber viel über den Schulalltag. Der Satz ist eine Herausforderung.

"Fack ju Göhte" verliert bald alle Schärfe. Zeki Müller kommt schneller in der Verbeamtung an, als er graben kann, und schließlich hält er zwar tatsächlich einen Schatz in Händen, aber einen anderen als erwartet. Vielleicht ist das die schmerzhafteste Wahrheit dieses im Ansatz so erfreulichen Films: Die Revolutionäre dieser Tage sind eigentlich Konservative. Sie haben mehr zu verteidigen als zu verlieren.

(RP)
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