"Ziemlich beste Freunde" Eine zu Tränen rührende Komödie

Düsseldorf · Nach der deftigen Komödie "Willkommen bei den Sch'tis" legt Frankreich einen weiteren Kassenschlager vor, der bereits 15 Millionen Franzosen ins Kino lockte. Doch "Ziemlich beste Freunde" ist keine Klischee-Klamotte, sondern eine zu Tränen rührende Komödie über wahre Freundschaft.

Ziemlich beste Freunde - Adel trifft Ghetto
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Ziemlich beste Freunde - Adel trifft Ghetto

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Driss ist kein Typ, der an der Ampel in der Schlange wartet. Ein Blick in den Rückspiegel, schon reißt er den feurigen Maserati seines Chefs auf die Gegenspur, gibt Gas. Und als die Polizei auftaucht, ist er erst so richtig in seinem Element, schlängelt sich durch die Straßen von Paris, als sei das Leben ein Spiel. Sein Chef Philippe kann darüber nur lächeln. Er mag die Unverfrorenheit, die brutale Direktheit von Driss, spürt dessen Lebenslust — eine Kraft, die ihm selbst fast abhanden gekommen ist, seit er im Rollstuhl sitzt und nur noch den Kopf bewegen kann.

Von zwei ungewöhnlichen Verbündeten erzählt die neue Erfolgskomödie "Ziemlich beste Freunde", die mit 15 Millionen Besuchern in Frankreich der erfolgreichste Film 2011 wurde. Der aus Afrika eingewanderte Driss kommt aus einem der berüchtigten Pariser Vororte, ist wenig gebildet, hat schon im Knast gesessen, seine Mutter, die eigentlich seine Tante ist, warf ihn raus.

Philippe ist reich, adelig, hochgebildet, er liebt Kunst, Oper, Literatur, seit er nach einem Unfall beim Gleitschirmfliegen im Rollstuhl sitzt, erobert er Frauen per Brief, schreibt ihnen bildungsschwere Epistel, die ihm eine Weile Ablenkung schenken von einem Alltag, der zum größten Teil mit der Pflege seines Körpers ausgefüllt ist.

Driss bewirbt sich nur zum Schein bei diesem vornehmen, feingeistigen Mann als Pfleger. Er braucht die Bestätigung, dass er sich vorgestellt hat, um Sozialhilfe zu bekommen. Doch dann stellt Philippe ihn ein, weil er den Humor des jungen Migranten mag, dessen ungekünstelte Art und vor allem, dass er keinerlei Mitleid erkennen lässt.

"Ziemlich beste Freunde" ist also ein Film, der mit Klassenunterschieden spielt. Und es gibt diese Aschenputtelmomente, wenn Driss etwa seine Einliegerwohnung im Pariser Stadtpalais seines neuen Dienstherrn bezieht, sich mit seinen billigen Straßenklamotten auf das antike Himmelbett fallen lässt und später staunend die freistehende Wanne im Badezimmer bewundert.

Da wird Luxus zum unschuldigen Vergnügen, die harte Geschichte eines chancenlosen Migranten zum Märchen. Mit genau den gleichen Szenen hat auch "Pretty Woman" vor 22 Jahren ein Millionenpublikum gerührt. Genau wie damals Julia Roberts als errettete Prostituierte streift hier Driss seine schmutzigen Underdog-Kleider ab, wird standesgemäß neu eingekleidet und nimmt mit kindlicher Lust ein Schaumbad, während er über Kopfhörer seine Musik hört — poppigen Jazz, der ihn mit geschlossenen Augen grinsen lässt.

Doch "ziemlich beste Freunde" ist eben keine Schnulze, sondern eine pointensichere Komödie, die gekonnt, manchmal auch durchaus platt mit Tabus spielt. Da reißt der Pfleger Witze über den Behinderten, der Behinderte über den ungebildeten Migranten. Doch hinter dieser wenig zimperlichen, lustigen Oberfläche gibt es eben noch eine zutiefst menschliche Ebene: Man kann in diesem Film einer Freundschaft beim Wachsen zusehen.

Driss ist nämlich nicht nur unsentimental und mitleidlos, sein ehrlicher, direkter Umgang mit dem gelähmten Philippe beruht auf tiefer Achtung vor einem Menschen, der seine Autonomie verloren hat. Der Film erzählt davon in komischen Episoden, wenn Driss sich etwa weigert, in den behindertengerechten Kastenwagen einzusteigen, während doch der Maserati daneben unter der Plane steht.

Oder wenn er einen Nachbarn ziemlich unsanft darauf hinweist, dass die Einfahrt zum Palais durchaus noch genutzt wird, obwohl dort nun ein Gelähmter residiert. Es sind Szenen, die mit schlichtem Humor arbeiten, aber eben auch Ausdruck einer intuitiven Menschlichkeit sind. Driss ist wenig gebildet, aber er fühlt, was sich gehört.

Und Philippe weiß, dass sein Reichtum ein zufälliges Privileg ist, das ihm andere Chancen eröffnet hat als seinem Pfleger. Er behandelt ihn seinerseits weder arrogant noch mitleidig, sondern schlicht wie einen Freund. Da liegt dann wohl auch der Unterschied zu "Pretty Woman": In der französischen Komödie muss kein selbstsicherer Mann gönnerhaft ein Mädchen aus der Gosse retten, hier treffen zwei Männer aufeinander, die sich trotz aller sozialen Unterscheide gegenseitig achten.

Natürlich hat das Utopische solcher märchenhaften Freundschafts- und Sozialaufstiegs-Geschichten immer etwas Zynisches, weil die meisten Migranten eben nicht von toleranten Superreichen angestellt und ernst genommen werden. Doch dieser Film ist eben auch keine Sozialstudie, sondern leichtes Genre. Man sollte ihm seine Arglosigkeit verzeihen.

Dafür unterhält er mit Witz und großen Emotionen, was nicht nur dem Regieduo Olivier Nakache und Eric Toledano zu verdanken ist, sondern vor allem den beiden Hauptdarstellern. Der aus Filmen wie "Kleine wahre Lügen" bekannte François Cluzet spielt den gelähmten Philippe als warmherzigen Grandseigneur mit viel Selbstironie.

Der unbekanntere Omar Sy aber ist die eigentliche Entdeckung dieses Films. Er verharmlost Driss nicht. Er spielt ihn als Ex-Knacki, der finster gucken und vielleicht auch mal wieder ausrasten kann. Aber wenn er sich dann überwindet, seinem Chef die Stützstrümpfe anzuziehen, hat das nichts Peinliches, nichts Bemühtes. Und wenn er zu Musik von Earth, Wind & Fire durch den Salon tanzt, können Philippe und mit ihm die Zuschauer einen Menschen bewundern, der im Augenblick leben und in Musik aufgehen kann.

So ist diese Komödie am Ende ein Film über trotzige Lebenslust und Freundschaft, die Klassen überwindet, wenn Menschen tiefer sehen als bis zu Kleidern, Manieren, Behinderungen — wenn Menschen sich als Menschen achten.

(RP/pst)
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