Neu im Kino Eine Geschichte über das Trauern

(RP). Das Schicksal macht an diesem Tag gleich zweimal Halt an der italienischen Küste. Zwei Frauen treiben hinaus ins Meer, Pietro und sein Bruder stürzen sich in die Wellen und retten sie. Doch als die Männer wenig später in die eigene Strandvilla fahren, steht dort ein Notarztwagen. Pietros Frau ist gestorben, plötzlich, an diesem prallen Sommertag. Und seine kleine Tochter war dabei, musste allein erleben, wie der wichtigste Mensch in ihrem Leben einfach zusammenbrach. "Wo warst Du, Papa?", ruft sie, als Pietro endlich da ist. Dieser Satz, mehr Klage als Frage, ätzt sich in Pietros Seele – und wird zum Leitmotiv im neuen Film mit Nanni Moretti.

 Szene aus "Stilles Chaos".

Szene aus "Stilles Chaos".

Foto: Kool

(RP). Das Schicksal macht an diesem Tag gleich zweimal Halt an der italienischen Küste. Zwei Frauen treiben hinaus ins Meer, Pietro und sein Bruder stürzen sich in die Wellen und retten sie. Doch als die Männer wenig später in die eigene Strandvilla fahren, steht dort ein Notarztwagen. Pietros Frau ist gestorben, plötzlich, an diesem prallen Sommertag. Und seine kleine Tochter war dabei, musste allein erleben, wie der wichtigste Mensch in ihrem Leben einfach zusammenbrach. "Wo warst Du, Papa?", ruft sie, als Pietro endlich da ist. Dieser Satz, mehr Klage als Frage, ätzt sich in Pietros Seele — und wird zum Leitmotiv im neuen Film mit Nanni Moretti.

"Stilles Chaos" erzählt eine Geschichte über das Trauern. Schon in einem früheren Film, in "Das Zimmer meines Sohnes", hat sich Moretti mit dem Einfall des Todes in ein Familienleben beschäftigt. Damals spielte er den Vater eines Teenagers, der bei einem Tauchunfall ums Leben kommt. Diesmal überwindet die Vaterfigur die tödliche Gefahr im Wasser, doch dann bricht der Tod an Land umso heimtückischer in sein Leben ein.

Pietro, ein erfolgreicher Fernsehmanager, konzentriert sich fortan ganz und gar auf seine Tochter. Morgens bringt er sie zur Schule, sitzt dann den ganzen Tag vor dem Gebäude in einem Park und wartet auf das Kind. Der Vater auf der Sühnebank. Keine Sekunde will er das Mädchen mehr alleine lassen.

Erzählt wird also die Geschichte einer Obsession, die sich aus einem Schuldgefühl entwickelt, dessen Entstehung der Zuschauer miterleben konnte. Es ist das große Verdienst dieses Films, das unverhältnismäßige Verhalten des Vaters nie als Verücktheit erscheinen zu lassen, sondern als notwendig. Der Vater weicht seinem Kind nicht mehr von der Seite, weil er spürt, dass das Mädchen nur so wieder Vertrauen fassen wird in das Leben. Totale Präsenz als Antwort auf einen absoluten Verlust. Indem der Film dieses Verhalten plausibel erscheinen lässt, ist er ein Plädoyer für das individuelle Recht zu trauern, in welcher Form auch immer.

Leider gibt es aber auch noch die Geschichten drumherum, vor allem diverse Begegnungen des Vaters mit Menschen in dem Park. Der wartende Vater wird eine Art Berühmtheit, wird weiter von seinen Kollegen konsultiert, macht sogar Karriere in seinem Unternehmen, das er gar nicht mehr betritt. Da biegt sich der Film die Wirklichkeit zurecht. Denn in der realen Arbeitswelt bekommen Menschen gerade nicht den Freiraum zu trauern, wie es für sie nötig ist.

So ist "Stilles Chaos" eher ein Märchen. Doch ein sehr anrührendes, gerade weil es nicht auf die Tränendrüse drückt. Dieser Film weidet sich nicht an der Trauer seiner Figuren, er begleitet sie. Und zeigt damit den Weg ins Leben.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort