"Ein Mann namens Ove" Dieser Miesepeter hat ein großes Herz

Düsseldorf · "Ein Mann namens Ove" mit Rolf Lassgård ist die gelungene und beinahe kitschfreie Verfilmung des schwedischen Bestsellers.

 Man glaubt es kaum, aber dieser Mann ist ein Romantiker: Rolf Lassgård als Ove.

Man glaubt es kaum, aber dieser Mann ist ein Romantiker: Rolf Lassgård als Ove.

Foto: Concorde

Es gibt diese Tage, da kann man ein bisschen Zuspruch gebrauchen, und unter diesem Aspekt betrachtet wäre es vielleicht gar nicht schlecht, sich den Film "Ein Mann namens Ove" an jedem Monatsersten anzusehen - dann müsste man sich die nächsten vier Wochen nämlich nicht mehr um sein Seelenheil sorgen. Das ist eine warmherzige und lustige Produktion voller Menschenfreundlichkeit und nahezu ohne Kitsch, und wer bisher dachte, dass es keine Verfilmung gibt, die gelungener ist als ihre Romanvorlage, wird hier korrigiert: Diese hier ist besser, und deshalb kann es sein, dass man nach dem Abspann von wildfremden Sitznachbarn umarmt wird. Free hugs.

"Ein Mann namens Ove", der Debütroman des 35 Jahre alten schwedischen Autors Fredrik Backman, war im vergangenen Jahr ein Bestseller in Deutschland. Darin macht ein Mann im letzten Viertel seines schwarz-weißen Lebens aus seiner Biografie einen Farbfilm, und Fabel und lakonischer Ton erinnerten stark an den noch viel größeren Buch-Hit aus Schweden: "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" von Jonas Jonasson. Die Verfilmung hätte nun leicht schiefgehen können; es galt, Rührseligkeit und Sentiment zu vermeiden, und auf wundersame Weise ist Regisseur Hannes Holm das souverän gelungen.

Er hat allerdings auch einen Hauptdarsteller, der Emotionen gescheit dosiert, der nuanciert spielt und weiß, wann er lieber schweigen und Gedankenstriche in den Wind malen sollte. Rolf Lassgård ist dieser Ove, viele kennen ihn als Kommissar Wallander aus den Mankell-Verfilmungen, und man muss hier nur sein Gesicht sehen, wenn er das erste Mal versucht, sich umzubringen: Da ist man sofort Fan. Ove steht also auf einem Stuhl, er hat den Kopf schon in der Schlinge, aber er sieht gerade noch, wie die neuen Nachbarn seinen Briefkasten verbeulen, und plötzlich ist ihm der Tod egal. Er rennt raus und schimpft, und man denkt, dass einer, der sich so aufregt, noch gar nicht abtreten mag.

Ove lebt in einer kleinen Siedlung, er ist ein Grantler und Miesepeter, und wer das Tor nicht schließt, wird getadelt, und wer das Auto außerhalb des markierten Bereichs abstellt, wird ausgeschimpft. In Schlappen streicht er umher, notiert Verfehlungen und ahndet Verstöße, und das Best Of seiner Ausfälle liest sich so: "Eine Decke tut's doch auch!" sagt er zu einer Frau, die ihn bittet, nach ihrer Heizung zu sehen, die sei kaputt. "Vier Nullen auf der Motorhaube und die fünfte hinterm Steuer", sagt er zu einem Audi-Fahrer. Und die persische Nachbarin Parvaneh, die ihm ein Gericht aus ihrer Heimat gekocht hat, fertigt er mit diesen Sätzen ab: "Was ist falsch an Fleisch und Kartoffeln? Man muss doch auch nicht noch das Essen mit Mustafa anreden."

Ausgerechnet diese Frau (Bahar Pars) indes knackt die harte Schale des Grummelnden. Ove, erfährt sie, verlor vor einigen Monaten seine Frau, sie starb an Krebs. Sie war seine große Liebe, und am Sterbebett hat er ihr versprochen, bald nachzukommen. Also setzt er sich ins stehende Auto, leitet die Abgase in die Fahrerkabine und hört "Always On My Mind". Aber kein Selbstmord will gelingen, zum Glück, und als wieder mal ein Galgenseil reißt, beschwert er sich im Baumarkt: Alles Idioten.

Die neuen Nachbarn finden die richtigen Worte, sie sind ihrerseits ruppig und doch wohlmeinend, sie wissen ihn zu nehmen und lassen nicht locker, und sie freunden sich mit Ove an. Er hütet bald deren Kinder, wenn auch wider Willen. Und er gibt Parvaneh Fahrstunden in seinem Saab, allerdings legt er den Fahrersitz zuvor mit Zeitungen aus - sie ist hochschwanger, da weiß man ja nie. Warum er denn immer so rüde mit den Menschen umgehe, fragt ihn die Nachbarin schließlich, und das ist dann die schönste Stelle des Films: "Je mehr die Idioten plappern", entgegnet er, "desto schneller verliere ich die Erinnerung an Sonjas Stimme." Sonja hieß seine Frau, und vor jedem Selbstmordversuch erlebt man in Rückblenden das Glück des Paares und die Schicksalsschläge. Es sind Röntgenbilder geplagter Seelen.

Am Anfang sieht es aus, als habe jemand die Farbe aus dem Film gezogen, die Szenerien sind abgedunkelt, aber allmählich geht die Sonne auf. Die Siedlung hat etwas von einer Märklin-H0-Welt, und so umgibt den Film eine Märchenhaftigkeit, die wohltuend ist. Das Ende wird dann regelrecht dramatisch, der Tod will jetzt doch mitspielen, da kommt ein bisschen Kitsch hinzu. Aber man befindet sich längst in dieser eigenartigen Verfassung, die man beim Vorlesen der "Pettersson und Findus"-Kinderbücher mitunter an sich feststellt. Und da kann ein wenig Schmalz ganz wohltuend sein.

Jedenfalls: Beim Verlassen des Kinos beschließt man, bald mal einen Baum zu pflanzen.

Ein Mann namens Ove, Schweden 2015 - Regie: Hannes Holm, mit Rolf Lassgård, Filip Berg, Ida Engvoll, Bahar Pars, 117 Min.

(hols)
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