Biografie "Howl" über Allen Ginsberg Ein Gedicht steht vor Gericht

(RP). Dieses Gedicht brennt ab wie eine Lunte. 1955 trug der Schriftsteller Allen Ginsberg in einer Galerie in San Francisco ein Poem vor, das den Namen "Howl – Geheul" trägt und tatsächlich ein gequältes Aufjaulen ist, eine wütende, rebellische, tiefverletzte Klage.

"Last Night" mit Keira Knightley und Eva Mendes
13 Bilder

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(RP). Dieses Gedicht brennt ab wie eine Lunte. 1955 trug der Schriftsteller Allen Ginsberg in einer Galerie in San Francisco ein Poem vor, das den Namen "Howl — Geheul" trägt und tatsächlich ein gequältes Aufjaulen ist, eine wütende, rebellische, tiefverletzte Klage.

Ginsberg zählte zur amerikanischen Beat Generation und lässt in diesem Gedicht ein lyrisches Ich von Jazznächten, Drogenkonsum, Psychosen berichten, gehetzt, gepeinigt — und rebellisch. Denn Ginsberg macht in seinen rhythmischen Zeilen auch den Schuldigen aus für den Wahnsinn, in den seine ganze Generationen zu stürzen scheint. Es ist der Moloch, die Großstadt, das gefräßige Kapital, das alles zu verschlingen droht.

Weil Ginsberg in seiner Klage mit religiösen Symbolen arbeitet und von sexuellen Exzessen berichtet, galt sein Gedicht in den prüden 50er Jahren als obszön. Und das war keine ästhetische Kritik. Dem Verleger des Bandes, in dem Ginsberg seinen Text veröffentlichte, brachte das Buch eine Klage ein. In einem spektakulären Prozess wurde 1957 vor einem amerikanischen Gericht über das Gedicht verhandelt — und damit über die Freiheit der Kunst.

Das Lebensgefühl der Beatnik-Zeit

Davon erzählen die Regisseure Rob Epstein und Jeffrey Friedman in ihrem intelligenten Film "Howl", in dem sie geschickt unterschiedliche Genres verbinden. In einem biografischen Handlungsstrang spielt James Franco den Dichter Allen Ginsberg, der in einem Interview in seiner Wohnung über sein Leben und Schreiben spricht. Das ist gut gespielt und macht allein im Modus der Erzählung viel aus der Beatnik-Zeit nachfühlbar.

Dazwischen geschnitten sind Szenen aus dem nachgespielten Prozess gegen Verleger Ferlinghetti. Auch dieser Strang ist reizvoll, denn vor Gericht waren unter anderem Literaturwissenschaftler als Gutachter geladen. Wie sie Interpretationen dieses Kunstwerks entwickeln und verteidigen, ist tatsächlich fesselnd. Außerdem gibt es bei Gerichtsfilmen ja eine naturgegebene Spannungsdramaturgie, die auf den Urteilsspruch zustrebt, selbst wenn ein Gedicht angeklagt ist.

Peinliche Zeichentrick-Einlagen

Allerdings gibt es in "Howl" dann noch einen dritten Strang, der leider völlig verunglückt ist. Die Regisseure haben sich nämlich entschieden, auch dem Gedicht selbst einen Part im Film einzuräumen. Allerdings hatten sie nicht den Mut, diese expressive Dichtung einfach wirken zu lassen. Stattdessen ist der Text mit Animationen unterlegt, in denen dann etwa bei sexuellen Anspielungen die Sterne purzeln, Farben explodieren und Saxophonspieler gen Himmel fahren. Überaus entbehrlich, diese Retro-Bilderflut. Doch können die peinlichen Zeichentrick-Einsprengsel dem Film nicht wirklich schaden, dafür ist der Rest zu eindringlich. Und wenn am Ende auch noch dokumentarische Aufnahmen zu sehen sind, ist diesem Film eine große Kunst gelungen: Er hat ein vergangenes Lebensgefühl lebendig gemacht.

Bewertung: 4 von 5 Sternen

(RP)
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