Leo Carax' "Holy Motors" Dieser Film möchte gerne ein Kunstwerk sein

Der verrätselte Episodenfilm "Holy Motors" des französischen Regisseurs Leos Carax ist die meistdiskutierte Produktion der Saison.

Szenenbilder aus Holy Motors
12 Bilder

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Es ist nicht gut, wenn man Filmen anmerkt, dass sie Kunstwerke sein wollen. "Holy Motors" von Leos Carax ist so eine Produktion. Jede Szene dieses verrätselten Werks wirkt wie berauscht vom eigenen Willen zur Irritation. Der französische Regisseur präsentierte seine erste Kinoproduktion seit 1999 im Mai in Cannes, und schon dort diskutierte man heftig: Geniestreich oder Humbug?

Hauptdarsteller in "Holy Motors" ist Denis Lavant, der in allen Filmen von Carax mitspielt — am besten in Erinnerung dürfte er aus "Die Liebenden von Pont Neuf" (1991) sein, Carax' Meisterwerk, und dort war er an der Seite von Juliette Binoche als Bettler unter der Seine-Brücke zu sehen.

Hier ist Lavant nun ein Mann, der in einer weißen Limousine durch Paris fährt und in unterschiedliche Rollen schlüpft. Monsieur Oscar bekommt Aufträge von einem nicht näher definierten und aus dem Off sprechenden Chef. Also kostümiert er sich und tritt als Familienvater auf, als Bettlerin, Banker und bunt gekleideter Schrat, der einen Friedhof überfällt. Offenbar arbeitet er als Schauspieler, er probiert nahezu jede Maske an, die der Mensch der Gegenwart tragen kann. Die Leute, in deren Leben er sich fügt, ahnen davon indes nichts, für sie ist dieser Mann real.

Episodenhaft sind die zwischen Science-Fiction, Fantasy, Musical, Melodram und Alltags-Moritat hin und her wechselnden Geschichten aneinander gereiht, Stars wie Eva Mendes und Michel Piccoli kommen hinzu, sie sind rasch wieder fort, und Kylie Minogue darf als lebensmüde Ex-Geliebte in einem leerstehenden Kaufhaus ein Lied singen. Es heißt "Who Are We" und wird wohl kein Hit.

Viel wurde geschwärmt von den Bezügen, die sich in Carax' Film auftun, von den Zitaten und Querverweisen von David Lynch bis zur "Matrix"-Reihe. Tatsächlich bieten sich die Bilder an zur Interpretation, sie flehen geradezu danach, mit Sinn und Bedeutung aufgeladen zu werden, es bleibt dem Zuschauer schlichtweg nichts anderes übrig, als die Assoziationsmaschine anzuwerfen. Aber letztlich bleibt alles im Ungefähren und somit beliebig. Carax gönnt dem Zuschauer keine Pointe, keine Auflösung, er erfreut sich vielmehr an der Zusammenhanglosigkeit, und das ist auf die Dauer nicht mehr verblüffend, sondern ärgerlich.

"Holy Motors" wirkt wie das Privatvergnügen eines Regisseurs, wie die Persiflage eines Autorenfilms, der Irrsinn ist kalkuliert. Und die zum Teil hysterisch jubelnden Besprechungen dürften den Schöpfer des Films erheitern. In der Anfangsszene erwacht ein Mann und tritt auf die Bühne eines Kinos: Dieser Film ist der Traum eines Filmemachers, ihn erzählt zu bekommen, ermüdet den Zuhörer.

(RP/pst/das/csi)
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