Neu im Kino: "Rachels Hochzeit" Diese Schwester hat Probleme

(RP). Für ihre Rolle in "Rachels Hochzeit" wurde Anne Hathaway für den Oscar nominiert. Sie spielt eine Frau mit Drogenproblemen, die auf einer Familienfeier verdrängten Konflikten begegnet. Regie führte Jonathan Demme, von dem man seit "Philadelphia" wenig gesehen hat.

Neu im Kino: "Rachels Hochzeit": Diese Schwester hat Probleme
Foto: Sony Pictures Releasing GmbH

Wenn eine Schauspielerin sich unterbewertet fühlt, weil die Zeitungen vorwiegend über ihr Liebesleben und ihr Styling berichten, dann kann man ihr nur raten: abschminken und eine Frau mit einer Krankheit verkörpern. Anne Hathaway hat diesen Rat befolgt. In "Rachels Hochzeit" ist sie Kym Buchman, die Schwester der Braut, die im Gegensatz zu den anderen Gästen nicht von zuhause angereist kommt, sondern direkt aus einer Reha-Klinik. Seit mehr als zehn Jahren kämpft sie gegen ihre Drogensucht. Das erklärt ihren Look: Kym ist blass, ihr Haar pechschwarz und selbst geschnitten, also unsauber geschnitten. Sie hat als Jugendliche einen tödlichen Unfall verschuldet und ist möglicherweise sexuell missbraucht worden.

Für diese Rolle erhielt Anne Hathaway eine Oscar-Nominierung und ein Dutzend Kritikerpreise. Ihr kam zugute, dass sie parallel in einem weiteren Hochzeitsfilm zu sehen war: in der seichten Komödie "Bride Wars — Beste Feindinnen" mit Kate Hudson. Verglichen damit ist "Rachels Hochzeit" fürwahr ein Meisterwerk.

Hat sich die zierliche Hollywood-Prinzessin nun wirklich zu einer großen Schauspielerin entwickelt? Sehen wir eine völlig veränderte Anne Hathaway? Nein. Zunächst einmal ist sie bisher nicht durch fehlendes Talent aufgefallen. Sie hat sich im Ensemble von "Brokeback Mountain" und in "Der Teufel trägt Prada" bewährt. Sie war bisher nicht schlecht, andererseits ist sie als Kym nicht überragend.

Der Unterschied zu ihren früheren Rollen ist ein rein kosmetischer, der bereits erwähnte Drogen-Look. Die Figur wurde vom Drehbuch ziemlich eindimensional angelegt.

Es wurde dankenswerterweise darauf verzichtet, die kaputte, aber ehrliche Außenseiterin mit einer spießigen Hochzeitsgesellschaft zu kontrastieren. Kym hält zwar eine Ansprache, die für leichtes Unbehagen sorgt. Aber die multi-ethnischen Gäste sehen nicht so aus, als könnte man sie aus der Fassung bringen. Offenheit wird hier begrüßt. Wenn der Film eine Botschaft vermittelt, dann lautet sie: Redet miteinander. Eine Hochzeitsfeier ist die beste Gelegenheit.

Der Bräutigam ist Afro-Amerikaner. Dass der Film diesen Umstand in keiner Weise problematisiert, ist zu begrüßen, da sich das US-Kino weiterhin mit Paaren unterschiedlicher Hautfarbe schwer tut. Leider wird der schwarze Familienanhang kaum beachtet.

Die weiße Familie bleibt unter sich, wenn Probleme besprochen werden. Es ist wie im guten alten Süden vor dem Bürgerkrieg: Die Weißen haben ernsthafte Probleme, und die Schwarzen sorgen, immer schön im Hintergrund, für Musik und gute Laune.

Das darstellerische Ereignis des Films ist — nach langer Abwesenheit von der Leinwand — Debra Winger als Abby, die geschiedene Mutter der Braut. Wenn sie verspätet zur Feier erscheint, dominiert sie das Geschehen, selbst wenn sie nichts tut. Ihre Präsenz ist umwerfend. Als es dann zu der überfälligen Mutter-Tochter-Konfrontation kommt, verläuft sie härter als erwartet. Wenn Abby und Kym die Hand ausrutscht, gibt es keine Ohrfeigen, sondern Kinnhaken. Solche Details verraten mehr über die Geschichte dieser Familie als umständliche verbale Ausführungen.

Ein Comeback bedeutet "Rachels Hochzeit" auch für den Regisseur Jonathan Demme, der wie Debra Winger seine große Zeit in den 80er Jahren hatte. Dann wechselte er vom unabhängigen Kino in den Hollywood-Mainstream, kassierte Oscars für "Das Schweigen der Lämmer" und "Philadelphia" — und verschwand von der Bildfläche.

Mit "Rachels Hochzeit" beweist er, dass er als Regisseur jung geblieben ist. Die nervöse Handkamera erweckt den Eindruck, ein Hochzeitsgast habe das Geschehen dokumentiert. Nichts wirkt gestellt oder beschönigt.

"Rachels Hochzeit" ist kein großer Wurf, aber ein flotter kleiner Film mit vielen sehr starken Momenten.

Bewertung: 3 von 5 Sternen

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort