Neu im Kino Die wilden Hühner werden flügge

(RP). Sie sind frisch verliebt, haben Angst, schwanger zu sein oder vom Freund verlassen zu werden – kurz: Die wilden Hühner sind fast erwachsen. Der dritte Film aus der Serie beruht erstmals nicht mehr direkt auf einem Cornelia-Funke-Roman, nutzt aber die bekannten Figuren.

 Die wilden Hühner auf Entdeckungstour.

Die wilden Hühner auf Entdeckungstour.

Foto: Constantin

(RP). Sie sind frisch verliebt, haben Angst, schwanger zu sein oder vom Freund verlassen zu werden — kurz: Die wilden Hühner sind fast erwachsen. Der dritte Film aus der Serie beruht erstmals nicht mehr direkt auf einem Cornelia-Funke-Roman, nutzt aber die bekannten Figuren.

Jugend ist nicht gleich Jugend, das sieht man am Filmangebot für diese Zielgruppe: Zuerst traten "Harte Jungs" gegen "Mädchen, Mädchen" an, dann gab es fünfmal "Die wilden Kerle", und jetzt treiben zum dritten Mal "Die wilden Hühner" ihr Unwesen. Während das Geschlecht bei Kinderfilmen noch eine untergeordnete Rolle spielt, muss man von einem bestimmten Alter an zwischen Jungs- und Mädchenfilmen unterscheiden. Und die Mädchenfilme sind eindeutig niveauvoller. Bleibt nur die Frage, ob das an den Machern oder am Publikum liegt.

Die Geschlechterrollen sind nach vier Jahrzehnten Frauenbewegung und Patriarchatskritik immer noch klar verteilt. Im Jungsfilm ist das erste Mountainbike wichtiger als die erste Freundin, und wenn die erste Freundin eine Rolle spielt, dann geht es mehr um Sex als um Romantik. Die Mädchenfilme sind gefühlsbetonter und die derben Streiche der "wilden Hühner" nur Fassade: Die Widerspenstigen werden am Ende gezähmt. Nicht einmal von einem dominanten Mann, sondern aus eigenem Antrieb.

"Die wilden Hühner und das Leben" gleicht einer Abschiedsvorstellung, denn die fünf Freundinnen Sprotte, Melanie, Frieda, Trude und Wilma fühlen sich so langsam zu alt für ihre Streiche. Eine jüngere Mädchengang ist dabei, ihnen den Rang abzulaufen; sie nennen sich die wilden Küken. Die beiden Gruppen bekämpfen und respektieren einander. Obwohl sie es nicht gern zugeben, blicken die Küken zu den Hühnern auf. Und die Hühner sind stolz, ihre Nachfolgerinnen in ein paar Tricks einweihen zu können.

Einer Abschiedsvorstellung gleicht der Film auch deshalb, weil es keine weiteren Vorlagen von Cornelia Funke mehr zur Auswertung gibt. Die ersten beiden "Hühner"-Filme basierten auf vier Funke-Romanen. Der neue Film orientiert sich, mangels einer konkreten Vorlage, nur noch an ihren Charakteren. Und die haben jetzt ziemlich erwachsene Probleme zu bewältigen.

Sprotte (Michelle von Treuberg) fürchtet sich vor dem ersten Mal mit ihrem Freund, der ihre Zurückweisung falsch versteht. Melanie (Sonja Gerhardt) leidet unter der Arbeitslosigkeit ihres Vaters und glaubt außerdem, schwanger zu sein. Die lustigen und mitunter gefährlichen Streiche, die in einer Jugendherberge mit nahegelegener Grusel-Grotte veranstaltet werden, sind nicht die wesentliche Attraktion des Films. Im Mittelpunkt stehen Gefühle, reife Gefühle.

Es geht um die Angst vor der Verantwortung, Angst vor Nähe, Angst vor dem Verlassenwerden. Ein Junge schluckt eine Partydroge, und statt gleich einen Arzt zu rufen, denken die Freunde nur ans Vertuschen. Die Regisseurin Vivian Naefe nimmt sich Zeit für innere Konflikte. Das dürfte Cornelia Funke freuen, deren Vorlagen im Kino oft verflacht worden sind, zuletzt in der Hollywood-Großproduktion "Tintenherz".

Das darstellerische Niveau ist uneinheitlich. Die jugendlichen Akteure, überwiegend Jahrgang 1992 bis 1993, haben sich seit dem ersten "Hühner"-Film nicht nur weiterentwickelt, sie haben sich auch sehr unterschiedlich entwickelt. Im wahren Leben wäre der Versager unter ihnen von der Schule abgegangen, während der Hochbegabte eine Klasse übersprungen hätte.

Der Hochbegabte heißt in diesem Fall Vincent Redetzki und legt mit seinen 16 Jahren eine erstaunliche Reife an den Tag. Er spielt Willi, den Freund der vermutlich schwangeren Melanie, und bringt Konflikte zum Ausdruck, die garantiert nicht im Drehbuch standen. Selbst das gehobene Niveau, das Funke und Naefe anstreben, ist für diesen grüblerischen Jungschauspieler noch zu niedrig. Dabei strahlt er keine Arroganz aus. Die Welt dieses Films ist nur nicht seine Welt.

Einige der Mädchen beweisen ein starkes Potenzial, während die Erwachsenengeneration sehr sympathisch von Veronica Ferres, Jessica Schwarz und Benno Fürmann vertreten wird. Weitere Fortsetzungen — auch ohne Funkevorlage — sind also erwünscht. Nicht wegen der albernen Küken, die da ihr Nachrücken ankündigen, sondern wegen der Hühner, deren Reifeprozess man gern weiter verfolgen würde.

(RP)
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