Waschen für das Seelenheil "Die unbarmherzigen Schwestern"

Frankfurt/Main (rpo). Im irisch-katholischen Film "Die unbarmherzigen Schwestern" kommen drei Sünderinnen in ein katholisches Heim, wo sie gegen "Gotteslohn" in einer Wäscherei schuften müssen. Eine gelungene Studie mit vielen frommen Worten.

Tatort Irland, 1964: Drei neue Sünderinnen treffen ein bei den "Magdalene Sisters", so der Originaltitel des Films "Die unbarmherzigen Schwestern", der am 9. Januar anläuft. Margaret ist während einer Familienfeier von einem Cousin vergewaltigt worden, das hübsche Waisenmädchen Bernadette hat zu viel männliche Aufmerksamkeit erregt, die ledige Rose ist Mutter geworden.

In dem von "Barmherzigen Schwestern" geleiteten katholischen Heim müssen sie als Buße für ihre Sünden täglich zehn Stunden in der Wäscherei schuften - für Gotteslohn. Basierend auf echten Schicksalen schildert Regisseur Peter Mullan, der zuletzt als Schauspieler in Ken Loachs "Mein Name ist Joe" zu sehen war, kaum glaubhafte Zustände im zivilisierten Europa des späten 20. Jahrhunderts. Insgesamt 30.000 irische Mädchen wurden in den zehn Magdalenen-Heimen weggesperrt, in den florierenden Wäschereien wie Sklavinnen ausgebeutet und oft lebenslänglich in Lager-ähnlichen Zuständen gefangen gehalten.

Erst mit dem Aufkommen von Waschmaschinen in privaten Haushalten wurden ab den Siebzigern die Heime geschlossen - das letzte im Jahre 1996. Die Tatsachen selbst sind so schockierend, dass es reicht, wenn Mullan nur einen Ausschnitt zeigt, sich vor Melodramatik hütet wie der Teufel vorm Weihwasser und fast sogar untertreibt.

Striemen von Stockschlägen

Er konzentriert sich nüchtern auf die Alltagsdetails und die Befindlichkeiten vierer Mädchen, die gar nicht recht wissen, warum sie eingesperrt sind. Dabei erweist sich leider ein weiteres Mal, dass die Realität die Vorstellungskraft auch des fantasiebegabtesten Schriftstellers überholt. Wer sich dieses Szenario ausgedacht hätte, wäre sofort der plattesten antiklerikalen Propaganda oder gar der Parodie bezichtigt worden: In braune Kittel gesteckt, die Köpfe bei Ausbruchsversuchen blutig geschoren, mit Striemen von Stockschlägen übersät, vegetieren die Teenager dahin.

Und überall fromme Sprüche, sei es in den Wäschereien, wo Unterhaltung streng verboten ist, in den zugigen Schlafsälen, die nachts abgeschlossen werden, oder im Speisesaal, wo die Mädchen Kohlsuppe essen, während die Nonnen, hinter Gittern versteckt, schlemmen. Die Barmherzigen Schwestern sind psychisch deformierte Wesen, die ihre Schutzbefohlenen im günstigsten Falle mit Gleichgültigkeit behandeln, die Mädchen meist aber mit offener Boshaftigkeit und einem kaum verhohlenen Sadismus brechen wollen.

Charaktere verändern sich

Dank des intensiven Spiels des vier Hauptdarstellerinnen gerät die Geschichte nicht zum Jammertal, sondern zur ebenso spannenden wie ergreifenden Studie darüber, wie sich Charaktere unter Druck verändern. Manche besonders absurden oder scheinheiligen Situationen lassen beim Zuschauer das Messer in der Tasche aufgehen und entwickeln in der distanzierten Perspektive des Films zugleich einen derart abgründigen Witz, dass sich das Zähneknirschen fast in Lachen verwandelt.

Als etwa die intelligente Margaret sieht, wie die geistig minderbemittelte Crispina vom Priester missbraucht wird, denkt sie sich eine publikumsträchtige Rache aus - die sich für Crispina allerdings verhängnisvoll auswirkt. Denn trotz seiner auf das "Drinnen" verengten Perspektive macht der Film klar, dass die ganze Gesellschaft hinter diesem Unrecht stand.

Man fragt sich nicht lange, wieso keine liebenden Eltern die Mädchen herausholten, die Flucht so selten gelang: Das ganze Land war ein Gefängnis, denn aus Angst vor Schande brachten Verwandte die Ausgerissenen postwendend zurück. "Ich fragte einmal eine Frau, wie ein Mädchen in den 60er Jahren in Irland lebte. Sie antwortete: Denk einfach an den KGB", zitiert Mullan. Die perverse Logik der katholischen Kirche muss sich erst recht nicht hinter den schleierwütigen Taliban verstecken, wie der O-Ton von Mutter Oberin beim Sünderinnen-Empfang demonstriert: "Man rettet Männer vor sich selbst, indem man die Versuchung von ihnen wegnimmt."

Der größte, bitterste Witz dieses altmodisch aufklärerischen Films, der verdient in Cannes die Goldene Palme gewann, besteht aber darin, dass die Kirche zwar die Köpfe beherrschte, aber keine legalen Befugnisse hatte, wie ein überraschend müheloser Ausbruch zeigt. Denn Mullan ist im Gegensatz zu seinen frommen Sklavenhaltern kein Unmensch und gönnt uns fast ein Happy End. Gott sei Dank.

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