Wim Wenders verfilmt Peter Handke

Irgendwann beißt ein Mann krachend in einen Apfel, und da merkt man erst, dass man es mit echten Menschen zu tun hat und nicht mit Papiertigern. Das ist denn auch schon das Hauptproblem dieses unheimlich schön aussehenden Films, dass man nämlich kaum je das Gefühl hat, dass hier Wesen aus Fleisch und Blut miteinander reden, sich mit Sätzen umgarnen und mit Worten berühren. Dabei geht es in ihrem langen Gespräch doch um Liebe, um die körperliche zumal, aber da ist kein Schäkern, kein Funkenflug, bloß Theorie. Liebe ist nur ein Wort mit fünf Buchstaben.

Wim Wenders hat den Sommerdialog "Die schönen Tage von Aranjuez" seines Freundes Peter Handke verfilmt. Die beiden haben ja schon 1970 zusammengearbeitet, an der Verfilmung des Prosatextes "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter", und nun hat Handke sogar einen kleinen Auftritt, er läuft mit Leiter und Heckenschere durchs Bild. Ein Garten in der französischen Provinz bildet die Kulisse, und der Zuschauer erreicht ihn nach einer umwerfenden Kamerafahrt, die ihn aus dem sonntagmorgendlich-stillen Paris abholt und in ein verschattet liegendes Landhaus führt. Ein Schriftsteller (Jens Harzer) sitzt da vor seiner Schreibmaschine und erfindet ein Gespräch. Ein Mann und eine Frau führen es, und was der Autor schreibt, sprechen Sophie Semin und Reda Kateb sogleich unter einer Pergola aus. Der Wind bringt die Blätter zum Rauschen, es könnte das Paradies sein.

Manchmal wählt der Schriftsteller ein neues Lied aus der Jukebox, gegen Ende tritt Nick Cave auf und singt Düsteres am Piano. Ansonsten passiert nichts, es fallen nur Worte, und sie fügen sich zu Geschichten vom Zusammenkommen und Zusammensein, vom letzten Sommer der Zuneigung.

Ästhetisch ist das ein eindrucksvoller Film. Wenders hat in 3D gedreht, dadurch wird die Natur noch stärker zum Mitspieler, und man ahnt bald, dass es nicht elysisch enden wird, sondern womöglich katastrophal. So hört man auf die Frau und den Mann, von denen man nicht weiß, ob sie miteinander verwandt, ineinander verliebt oder voneinander getrennt sind. Sie ruhen in sich und kommen ins Fabulieren und leider auch ins Deklamieren, und der hohe Ton führt weg vom Herzen und hinein in die Abstraktion. Zwischen ihnen prickelt es nicht, und irgendwann spricht man den beiden gar die Expertise in Liebesdingen ab: Sie sind zu ätherisch, als dass man sie sich leidenschaftlich vorstellen könnte. Die Stunde der wahren Empfindung hat es nie gegeben.

Am Ende wird der Himmel dunkelblau eingefärbt, ein Düsenjet verfinstert die Szenerie. Großer Lärm. Kein Licht. Paradise lost.

Die schönen Tage von Aranjuez, Deutschland 2016 - Regie: Wim Wenders mit Reda Kateb, Sophie Semin, 98 Min.

(hols)
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