Film-Kritik Die Reise der Pinguine: Eiskalte Faszination

Wenn hierzulande die Temperaturen in den Keller rutschen und die Heizungen aufgedreht werden, können sich die Wenigsten vorstellen, dass das leben in der Antarktis nicht nur hart und gefährlich, sondern auch faszinierend und spannend sein kann. Die Kaiserpinguine müssen sich in der harten Welt aus Schnee und Eis behaupten, jeden Tag aufs Neue ihr Leben verteidigen, und wurden dabei von Luc Jacquet beobachtet, der mit seiner Dokumentation "Die Reise der Pinguine" in der französischen Heimat, aber auch in England einen Sensationserfolg landete. Jetzt kommt der frostige Film auch zu uns.

Die Reise der Pinguine
24 Bilder

Die Reise der Pinguine

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Foto: Kinowelt

Es sind berauschend schöne Bilder vom menschenfeindlichsten Gebiet der Weltkugel, die gleich zu Anfang den Betrachter für den Film gewinnen. Minus 40 Grad beträgt die Außentemperatur, wenn im arktischen Herbst - in unseren Breiten ist dann März - die Kaiserpinguine in Scharen aus dem Meer kommen, um einen langen gemeinsamen Marsch zu den hunderte Kilometer entfernten traditionellen Orten zu beginnen, an denen sie sich paaren, ihre Eier ausbrüten und die daraus schlüpfenden Jungpinguine aufziehen.

Wenn sie da in schier endloser Reihe hintereinander über den vereisten Kontinent auf zwei Krallenfüßen wackeln oder auf wohlgenährten weißen Bäuchen sich rutschend und schliddernd vorwärts bewegen - allein der Anblick dieser instinktiv zielsicheren Karawane durch die Eiswüste macht den Besuch des unter extremen Bedingungen gedrehten Films bereits lohnend. Jacquet zeigt allerdings mehr als nur eine Dokumentation existenzieller Selbstbehauptung in Eiseskälte: Seine Dokumentation ist eine Hymne an das Leben und, sehr französisch, an die Liebe.

Pinguinfamilie wird "vermenschlicht"

In der vielleicht schönsten Szene des 80-minütigen Films ist das zärtliche Spiel der langen Schnäbel von Männchen und Weibchen zu sehen, die sich an dem Endpunkt der langen Wanderung gesucht und gefunden haben. Es ist danach sehr anrührend, wie sich das Paar um das Ei sorgt. Die Männchen sind es, die den Nachwuchs unter einer Hautfalte hüten und wärmen, derweil die Weibchen auf Nahrungssuche zum Meer ziehen. Wenn sie heil zurückkehren, müssen nun die ausgehungerten Männchen den gleichen Weg gehen, und nicht alle werden das schaffen.

Jacquet, Biologe und Antarktisforscher, hat sich nicht gescheut, die Vogelfamilie quasi zu vermenschlichen. Das von ihm in den Mittelpunkt gerückte Pinguinpaar ist in dem Film mit Männer- und Frauenstimme ausgestattet, der drollige Nachwuchs spricht mit Kindermund. Das ist an der Grenze zum Kitsch, die auch die Musik nicht meidet. Dass "Die Reise der Pinguine" nun allerdings zum Kultfilm für konservative Religiöse geworden ist, weil er Monogamie und Fortpflanzungswillen propagiere, ist den Filmmachern nicht zum Vorwurf zu machen, wenn es denn überhaupt ein Vorwurf sein kann.

Denn zu sehen ist ja nur das, was auch Realität ist, nämlich der Kampf der Kaiserpinguine um das eigene Leben und das ihrer Art unter widrigsten Umständen. Man muss kein Fundamentalist sein, um davon zutiefst angerührt zu werden. Pinguine wissen nicht, was Tapferkeit, Selbstlosigkeit oder Opferbereitschaft ist - sie haben diese Tugenden ganz selbstverständlich in ihrem genetischen Code programmiert. Wäre es anders, wäre die Antarktis ein restlos trostloser Ort. Doch nach diesem Film weiß man: Die Eiswüste lebt - den Kaiserpinguinen sei Dank!

(ap)
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