Film-Kritik 'Die Passion Christi': Zwischen naiv und genial

Frankfurt/Main (rpo). Äußerst realistisch und blutrünstig hat Mel Gibson mit "Die Passion Christi" einen Film über Jesus Christus dessen Leiden von der Festnahme bis zum Kreuzestod in Szene gesetzt. Zwar ist der Film heftig umstritten, dennoch ist er sehr erfolgreich. Nun kommt der Film vorfristig bereits am 18. März auf die deutschen Leinwände.

Szenenbilder "Die Passion Christi"
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Foto: AP

Die Genialität der Passions-Interpretation Gibsons, der ein bekennender traditionalistischer Katholik ist, liegt schlicht darin begründet, diesen grausam-spektakulären Leidensweg des letzten Lebenstages von Jesus mit allen Effekten des Populärkinos ins Szene gesetzt zu haben.

Gibson schert sich keinen Deut um komplizierte theologische Deutungen, Grübeleien oder Relativierungen des Geschehens vor 2.000 Jahren in Palästina. Vielmehr zeigt der Hollywood-Star, der in seinem schon bei den Dreharbeiten heiß umstrittenen Film nicht selbst auftritt, den Religionsstifter mit der Dornenkrone ganz naiv als die Herzen anrührenden Schmerzenskönig, der ein Martyrium erleidet, bevor ihn der Tod erlöst und zugleich unsterblich macht.

Wer Gibson diese Naivität vorwirft, der wirft ihm unausgesprochen auch seinen Glauben vor. Da das kaum eine unter den vielen kritischen bis total ablehnenden Stimmen zum Film bislang wagte, erheben die Gibson-Verächter andere Bedenken.

Zum Beispiel dasjenige, der Film nähre den Antisemitismus. Dass es Juden waren, insbesondere deren Hohepriester, die die Verfolgung und Hinrichtung des Messias aus Nazareth betrieben, ist jedoch keine Erfindung Gibsons, sondern steht so in den Evangelien des Neuen Testaments. Und auf denen gründet der Glauben von Abermillionen auf allen Kontinenten.

Eher schon könnte von einer anti-römischen Tendenz des zweistündigen Streifens gesprochen werden: Es sind Soldaten der imperialen Besatzer, die Jesus mit Peitschenhieben in einen blutigen Fleischklumpen verwandeln, ihn mit dem Kreuz beladen durch die Straßen treiben und endlich sadistisch ans Kreuz nageln.

Ein Kinoereignis von seltener Wucht

Der andere zentrale Vorwurf richtet sich gegen die Gewalttätigkeit des Films, gegen den voyeuristischen Realismus, mit der die blutenden Wunden des Todeskandidaten Jesus herbei- und vorgeführt werden. Zweifellos hat der Jesus-Darsteller Jim Caviezel, in Rückblenden als überirdisch schöner Schauspieler zu bewundern, weit mehr Zeit bei den Maskenbildnern als vor der Kamera verbracht. Aber Gibson verlässt sich auf das wirksamste Rezept des Kinos: Er zeigt starke, bewegende Bilder und spart an Dialogen. Wenn doch mal geredet wird, dann in zwei Sprachen, die nur noch Eingeweihte verstehen: Aramäisch und Latein. Das Wagnis, den Film selbst in den fremdsprachenfaulen USA nur mit Untertiteln zu zeigen, verdient allein schon höchste Anerkennung.

Gewiss ist Gibson kein großer Regiekünstler. Denn fast alle Szenen, die nicht das Leiden von Jesus zum Mittelpunkt haben, sind blass, zu bemüht und manchmal auch kitschig geraten. Über all das ließe sich mit besten Argumenten Klage führen. Gleichwohl ist Gibson ein bedeutender, in seiner Massenwirkung kaum zu überschätzender Film gelungen. Denn wer die "Passion" bereits als Christ sieht, wird sich zutiefst bestätigt darin fühlen, diesem Schmerzensmann und Erlöser zu folgen. Und wer nicht glaubt, wird unweigerlich beeindruckt sein von einer Figur, deren Martyrium symbolhaft steht für alle Gequälten, Gedemütigten und Ermordeten - kurzum für alle Märtyrer der an solchen nicht gerade armen Menschheitsgeschichte.

Jim Caviezel als Jesus hat schon jetzt für die größte Leidensfähigkeit einen Oscar verdient, die Maskenbildner für ihre Kunst gleichfalls. Schauspielerisch ist der Amerikaner so wenig gefordert wie die diesmal züchtig verhüllte Sexbombe Monica Bellucci als Maria Magdalena oder Maia Morgenstern als auffällig zurückhaltend agierende Maria. Pontius Pilatus, dargestellt von Hristo Naumov Shopov, wird als opportunistischer Charakter, der Verräter Judas eher als tragische Figur präsentiert.

Gibson, der nicht nur Regie führte, sondern auch am Drehbuch mitschrieb, produzierte und den Film aus eigenem Vermögen finanzierte, hat sehr viel, ja alles riskiert. Aber er hat nun auch alles gewonnen: Denn "Die Passion Christi" ist ein Kinoereignis von seltener Wucht, weil Mel Gibson den Kern der weltweiten Jesus-Faszination mit sicherem Instinkt und viel Kunstblut in den Mittelpunkt stellt.

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