Komödie "Die Standesbeamtin" Die Liebesgeschichte des Jahres

(RP). Die Komödie "Die Standesbeamtin" erzählt von einer verheirateten Frau, die ihre Jugendliebe wiedertrifft. Ein Hauch von "Notting Hill" weht durch diese charmant unperfekte Produktion. Dass es nicht allzu kitschig wird, verdankt sie ihrer wunderbaren Hauptdarstellerin.

Komödie "Die Standesbeamtin": Die Liebesgeschichte des Jahres
Foto: schwarz-weiss

Das ist einer der zauberhaftesten Filme des Kinojahres, ein Aufstand des Herzens gegen die Wirklichkeit — und das, obwohl er stellenweise albern ist, vorhersagbar inszeniert wurde und bei kritischer Betrachtung mitunter daherkommt wie eine dieser Romantik-Komödien, die bei Sat 1 um 20.15 Uhr laufen. "Die Standesbeamtin" heißt die unzeitgemäße Produktion aus der Schweiz, und wer das mag, das Leichtsein und das Spintisieren, das Wiegen in Sicherheit, und wer Lust hat an Happy End und Kopfausschalten und Bauch an, der sollte sich das ansehen. Es wird ein schöner Abend, versprochen.

In einem kleinen Ort in der Schweiz lebt eine verehrungswürdige und beneidenswerte Frau namens Rahel. Sie ist Anfang 30, und das mit der Verehrungswürdigkeit merkt man erst allmählich, denn anfangs ist Rahel unzufrieden, graue Wolken stehen um ihren Kopf. Der Vater ihres halbwüchsigen Sohnes techtelt mit einer anderen, die Ehe geht in die Büx, und deshalb radelt sie morgens ohne Rücksicht auf Verluste durch enge Gassen zum Standesamt. Dort traut sie die Glücklichen, die anderen also, sie leiert die metaphernschweren Texte herunter, "Hafen der Ehe", "Wasser des Lebens" und so — ihr selbst ist zum Heulen dabei.

Ein Hauch von "Notting Hill" und den anderen englischen "Liebe-auf humorvollen-Umwegen"-Filmen weht durch die zweite Arbeit von Regisseur Micha Lewinsky. Sie spielt vor einer aufgeräumten und stets leuchtenden Kulisse, Fachwerk und Blütenstaub, und alles vermittelt dem Publikum von der ersten Minute an: Hier passiert nichts Schlimmes mehr, ihr sollt euch wohl fühlen, das ist es. Kein Abgrund, nirgends. Dass man es dennoch ganz schön findet und nicht allzu kitschig, dass man dabei bleibt und wie bei einem Kolportageroman mitfiebert, liegt an der Hauptdarstellerin.

Marie Leuenberger spielt Rahel und holt aus dieser Rolle, die die Gefahr des Chargenhaften birgt, alles denkbar Liebevolle und Liebenswerte und eben Verehrungswürdige heraus. Die 29-Jährige gehört zum Ensemble des Hamburger Schauspielhauses, sie war dort Minna von Barnhelm und die Anja im "Kirschgarten". Die Schweizerin hat eine Sinnlichkeit, die eine Doppelhaushälfte in ein Wolkenkuckucksheim verwandeln kann, sie ist die Elfe aus der Nachbarschaft, ein Liebeslied auf Schwyzerdeutsch.

Und so verwandelt sich ihre Rahel allmählich, sie greift zu, denn sie begegnet ihrer Jugendliebe wieder. Ben (Dominique Jann) ist Rockmusiker und Star der bunten Blätter — man mag das alles gar nicht erzählen, das Skript liest sich so dämlich —, und er hatte mal einen Hit, den er mit Rahel sang. Aber nun will er einen Filmstar heiraten, in Rahels Standesamt, klar, und von Rahel getraut. Das macht sie nicht mit, und es ist das Wunder dieses Films, dass man sich der Story überlässt, dass man sich in den schmalen Straßen dieser Märklin-HO-Kulisse schreiten sieht, um denen nahe zu sein, die hier ihr Glück finden. Natürlich finden sie es, aber nicht sofort, erst im großen Finale.

Rahels Ehemann möchte nämlich zu ihr zurückkehren, und das Starlet hat auch etwas gegen die alte Liebe, die nicht rostete. Aber es geht gut aus, und das zu wissen schmälert den Genuss am Film keineswegs. Die Nebenfiguren bleiben blass und unscheinbar, die Schärfe liegt auf den beiden Hauptpersonen. Ben bringt sogar Rahels Sohn auf seine Seite, es wird alles gut, am Ende sogar so gut, wie man es nicht für möglich gehalten hat. Hier wuchert die Geschichte ins Märchenhafte, darf als Gegenentwurf zur Realität begriffen werden, als Rebellion gegen die tatsächliche Welt, als Schmunzeln in der Lebenskälte — muss aber nicht.

In seiner Ästhetik erinnert "Die Standesbeamtin" an den Roman "Die große Liebe" von Hanns-Josef Ortheil. Der Autor wollte 2003 eine Geschichte mit Happy End schreiben, es gelang ihm ganz großartig, unpathetisch, sie kriegen sich, und noch mehr. "Der gesamte Raum um uns herum hat sich verändert", heißt es da, "er erscheint aufgeladen, schöner. In diesem Zustand nehme ich unendlich viel wahr." Das ist sie, die Kultiviertheit des Wohlbehagens. Sie bringt einen vielleicht nicht weiter in Leben und Denken, aber sie kann verflixt glücklich machen.

Bewertung: 4 von 5 Sternen

(RP)
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