Film-Kritik Die Boxerin: Schlag gegen die Ödnis

"Bonjour Tristesse" heißt es tagtäglich für die 19-jährige Joe, die sich irgendwo in der brandenburgischen Provinz mehr schlecht als recht durchs Leben schlägt. Catharina Deus' Spielfilmdebüt "Die Boxerin" erzählt die Geschichte einer Außenseiterin, die vom Leben angewidert im Boxsport ein Ventil für ihre Aggressionen findet.

Die Boxerin
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Foto: Stardust Filmverleih

Ein hoffnungsloser Fall ist dieses Mädchen: Sie verliert einen Job nach dem anderen, die Mädels im Ort machen sich über sie lustig, der Vater ist tot, die Schwester eine Herumtreiberin und die Mutter leidet unter ständiger Geldnot. Einziger Gefährte von Joe scheint ihr Mofa zu sein. Der trotzig-rebellische Gesichtsausdruck, mit dem sie durch die wüste Landschaft brettert, ist einem Marlon Brando durchaus ebenbürtig. Das Einzige, bei dem der Outsiderin "nicht das Kotzen kommt", ist das Boxen. Doch erst mal wollen die Jungs im Eberswalder Boxklub partout keine Frau dabei haben.

Joe ist keineswegs nur Opfer ihrer trostlosen Lebensumstände. Sie sagt ihrer Mutter (Manon Straché), dass sie sie hasst, auch wenn diese sich müht, das Leben der kleinen Familie auf die Reihe zu kriegen. Als ihr Chef ihr nach einer Attacke gegen eine Kundin noch eine Chance geben will, gibt sie nur Beschimpfungen von sich. Auch als sich endlich ein Mann für sie interessiert, schafft sie es, aus dem ersten Streit ein endgültiges Aus werden zu lassen.

Joe hat wenig Vertrauen in die Welt um sie herum. Sie ist auf einem Dauer-Aggressionstrip. Ihre heruntergezogenen Lippen sind wie festgefroren zu einem permanenten Trotzzustand. Jeder, der ihr begegnet, wird mit rotzigen Sprüchen auf Abstand gehalten. "Bevor du mich verlässt, mach ich Schluss", sagt sie ihrem Freund Mario (Devid Striesow).

Boxen als Perspektive

Das Boxen scheint Joes einzige Chance zu sein. Endlich schafft sie auch das Entree in den Boxklub. Aber als die ersten Probleme auftreten, schmeißt sie auch das hin, setzt sich auf ihr Mofa und haut ab. "Die Boxerin" ist ein nachdenklich machender Film über die Schwierigkeit, im Deutschland von heute dem Leben einen Sinn zu geben und seine Träume zu verwirklichen.

Auch wenn die Geschichte an Clint Eastwoods "Million Dollar Baby" erinnert, liegen doch Welten zwischen dem amerikanischen und dem deutschen Streifen. Bei Deus' Boxerin geht es weniger um das Erreichen von Glamour und Rekorden, sondern darum, dass eine junge Frau ihren Weg findet. Diese Schlichtheit macht den Film auf eine ganz andere Art sehens- und diskutierenswert als "Million Dollar Baby" - auch wenn es manchmal schwer nachzuvollziehende Sprünge beim Plot gibt und die Figuren zum Teil überzeichnet wirken.

Zwischenmenschliche Entwicklungen werden vernachlässigt. Ganz plötzlich akzeptieren die Macho-Fighter im Boxklub Joe in ihrer Mitte. Auch die Abwendung der nach Jahren zurückgekehrten Freundin Stella (Fanny Staffa) von Joe kommt als Bruch und nicht als nachvollziehbare Reaktion daher. Dennoch wird auch in der Verzerrung, die den Film teilweise ausmacht, ein Stück deutscher Realität gezeigt, das über das Leben in einer ostdeutschen Kleinstadt mehr aussagt als manche Studie oder Dokumentation.

(afp)
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