"Cosmopolis" mit Robert Pattinson Der Vampir von Manhattan

Düsseldorf · Kult-Regisseur David Cronenberg hat den Roman "Cosmopolis" von US-Autor Don DeLillo verfilmt. Robert Pattinson spielt darin einen Börsenmakler, der in seiner Stretch-Limousine durch New York fährt. Entstanden ist eine irritierende Krisen-Parabel über das Ende des Kapitalismus. Ab der Hälfte des Films wird es echt kompliziert.

"Cosmopolis" - Robert Pattinson als skrupelloser Börsenmakler
11 Bilder

"Cosmopolis" - Robert Pattinson als skrupelloser Börsenmakler

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Es gibt in diesem Film niemanden, mit dem der Zuschauer sympathisieren könnte, da ist kein Heil, und vor allem die Hauptfigur eignet sich nicht zur Bewunderung. Eric Packer ist geradezu obszön jung und reich, der 28-jährige Investment-Banker hat mehrere Milliarden mit Börsen-Spekulationen verdient. Nun lebt er in einem 40-Zimmer-Apartment mit Haifisch-Aquarium als Blickfang, und durch New York bewegt er sich mit einer weißen, in die Länge gezogenen Limousine.

Darin sitzt er wie der Master des Universums, ein Renaissance-Fürst des 21. Jahrhunderts, und auf Zuruf klappen Monitore aus den Lederpolstern. Sie zeigen Kurven und Zahlenkolonnen, und jeder Code, jedes Informationspartikel kündet von weltweiten Ereignis-Stürmen; die Gegenwart bildet lediglich den Vorschein einer kontrollierten Zukunft. Eric Packer ist ein Vampir, er und seine Gesellen haben die Welt ausgesaugt, und kurz vor dem Untergang rollt der König der Mittelbarkeit in seinem geräuschdicht verschlossenen Sarg an den Ruinen vorbei.

Verblüffende Ähnlichkeit mit Occupy

"Cosmopolis" heißt der neue Film von David Cronenberg, und der Kanadier wählte als Vorlage den gleichnamigen Roman von Don DeLillo aus dem Jahr 2003. Der Leser begleitet Eric Packer auf seiner Fahrt zum Friseur. Sie dauert 24 Stunden, denn der Präsident ist in der Stadt, die Straßen sind gesperrt. Demonstranten marodieren zwischen den ruhenden Autos, Packer hält sich den größten Teil der Zeit in seinem Wagen auf und philosophiert vor sich hin.

DeLillo gilt als Visionär, seine Erzählungen aus der Gegenwart sind stets auch Ausblick in die Zukunft. "Cosmopolis" hat tatsächlich etwas Prophetisches, DeLillo liefert die Innenansicht eines Systems, das so umfassend geworden ist, dass es seine Grenze zur Außenwelt nicht mehr definieren kann. Der Finanzkapitalismus hat bei DeLillo alles durchdrungen, nun droht er zu implodieren, und beschleunigt wird die Entwicklung durch neue Protestformen, die verblüffende Ähnlichkeit mit der Occupy-Bewegung haben.

DeLillos Text ist eher Ideengeschichte als Erzählung, man sollte ihn als Prosagedicht lesen, als Diskurs-Roman. Alles ist symbolisch, ihm fehlt das Lebendige, es geht nicht so sehr um Nachvollziehbarkeit. Cronenberg muss gerade dieser Aspekt gereizt haben. Sein Werk hat sich von der Erkundung des menschlichen Körpers und der physischen Versehrtheit, die er in seinem Film "Die Fliege" (1986) bis über den Rand des Horror-Genres hinaus betrieb, immer weiter vorgearbeitet bis ins Gehirn, und in "Eine dunkle Begierde" (2011) mit Keira Knightley interessierte er sich nur mehr für das Unbewusste, das Zerebrale.

Keine Zuneigung, keine Ablehnung

Cronenberg lässt Robert Pattinson, den Star der "Twilight"-Reihe, die Hauptrolle übernehmen. Die Besetzung passt, Pattinson umgibt etwas Celebrityhaftes, der Glanz in seinen Augen kündet von Außerweltlichem, und vor allem gelingt es ihm, Emotionen zu vermeiden. Der Zuschauer findet nichts an seiner polierten Kunstfigur, woran er Zuneigung oder Abscheu hängen könnte. Packer ist eine geisterhafte Erscheinung, anämisch und brutal, einsam und arrogant.

Packer empfängt eine Reihe von Leuten in seinem High-Tech-Käfig, einen Arzt, der Packers Prostata untersucht, zudem Kollegen und Sicherheitsleute. Es liegt etwas in der Luft, ein Attentat, und man ahnt früh, dass das Packers letzte Reise sein könnte: Wenn die Kurse fallen, wird er sich auflösen. Alles passiert nur noch, die Talfahrt des Yen ebenso wie Sex und der Tod. Im Zeitlupentempo bewegt sich Packer zu jenem Friseur, der ihm bereits die Haare schnitt, als er ein Junge war — ein Ertrinkender, der sein Leben an sich vorbeirauschen sieht.

Dieser Film irritiert, weil er weit weg ist vom populären Illusionskino. Die Atmosphäre ist beklemmend, die Bilder sind düster, Licht spenden allein Displays von elektronischen Geräten, Helligkeit ist Abglanz. Cronenberg inszeniert Packer als eine Mischung aus Ikarus und Faust, aus den Helden von "Fegefeuer der Eitelkeiten" und "American Psycho". Er setzt ihn in unwirkliche Umgebungen, als spiele sich seine Geschichte lediglich im Kopf ab, in einer Welt der Vorstellung und des Alptraums.

Besser, man kennt den Roman

Der Zuschauer sehnt sich nach Außenansicht und Durchblick, nach dem großen Aha, aber ihm wird keine Erfüllung gewährt. Im Verlauf der zunehmend abstrakter werdenden Handlung zerbeulen und besprühen Aktivisten Packers Auto, als soziales Kunstwerk symbolisiert es die Autoaggression des Systems.

Das Problem des Films liegt darin, dass ihm ab der Hälfte der Spielzeit kaum mehr folgen kann, wer den Roman nicht kennt. Man erlebt ein Proseminar über den Einsturz eines unmoralischen Imperiums. Cronenberg bebildert Theorie, er kommt allzu sehr ins Dozieren, und man spürt seinen Willen, die Hauptfigur als Allegorie auf das Gespenst des Kapitals zu stilisieren. Wie Packer an den Fassaden der Einkaufsstraßen vorübergleitet, driftet man durch diese Parabel mit ihren allzu plakativen Dialogen.

So gefriert der auf spannende Weise misslungene Film im Bild eines Menschen, der in einer gepanzerten Monade durch die Welt fährt und jede Überraschung bereits vorausberechnet hat. Fast jede. Gegen Ende schießt sich Packer in die Hand. Es blutet und tut weh. Packer reißt die Augen auf und staunt.

(RP/csr/csi)
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