"Captain America" startet im Kino Der Turbo-Allround-Olympionik ist wieder da

Düsseldorf (RP). Der patriotischste aller Superhelden ist wieder im Kino zu sehen: "Captain America" ist eine teenietaugliche Kostümträger-Komödie über einen schmächtigen Jungen, dem nach Einnahme eines Serums Muskeln wachsen. Die Comic-Verfilmung erinnert an die Abenteuer von "Indiana Jones".

Wer soll diesen Typen bloß ernst nehmen? Captain America ist unter allen Superhelden der US-Comicwelt die Figur mit dem größten Handicap. Er läuft in einem der amerikanischen Flagge nachempfundenen Rot-Weiß-Blau-Kostüm herum, das ein wenig aussieht wie ein Kinderschlafanzug für den Nachwuchs der ganz und gar Vaterlandsberauschten.

Früher war der Captain Propaganda

Captain America ist eine Propagandaerfindung aus den Tagen des Zweiten Weltkriegs, ein hurrapatriotischer Haudrauf. Einen außerhalb der USA verdaulichen Kinoauftritt dieses Flaggenmannes konnte man sich bislang kaum vorstellen.

Umso größer ist die Überraschung, dass mit "Captain America: The First Avenger" ein witziger, vielschichtiger, selbstironischer Film auf dem Niveau von Jon Favreaus "Iron Man" startet. Bezeichnenderweise war in einem früheren Stadium des Projekts Favreau als möglicher Regisseur im Gespräch.

Turbo-Allround-Über-Olympionik

Die vom Spielberg-Schüler Joe Johnston ("Jumanji", "Jurassic Park 3") inszenierte Kostümträgerkomödie setzt in der Jetztzeit ein. Im arktischen Eis wird der tiefgefrorene Körper des gegen Ende des Zweiten Weltkriegs verschwundenen Captain America entdeckt. Eine filmlange Rückblende erzählt die Geschichte dieses Mannes, die des muskelarmen Hänflings Steve Rogers. Ein neu entwickeltes Serum – dessen Formel und Erfinder prompt einer Nazi-Sabotageaktion zum Opfer fallen – pumpt den kleinen Kerl mit dem großen Charakter zum Turbo-Allround-Über-Olympioniken auf.

Johnstons Amerika der 30er und 40er Jahre mag zunächst wie das übliche nostalgische Wunschbild einer geschlosseneren, wertebewussteren Gesellschaft wirken. Aber schnell wird klar, anhand der Prügel nämlich, die der schwächliche Steve regelmäßig bezieht, dass diese Gesellschaft keinesfalls eine Tafelrunde der Edelgemüter darstellt.

Patriotismus als Kompensation

Steves Patriotismus erkennen wir klar als Kompensation. Wunderbar subversiv ist unter anderem die Szene beim Musterungsarzt, der den verzweifelten Rogers dienstuntauglich stempelt. "Ich rette Dir das Leben, Söhnchen", tröstet er. Dass Steve fürs Supersoldatenprojekt auserwählt wird, bedeutet noch keine Aufnahme in den inneren Heldenzirkel der Gesellschaft. Weil das Wunder nicht wiederholbar ist, erscheint der neue Steve dem verantwortlichen, barschen General (Tommy Lee Jones, der das komische Potenzial der zugespitzten, knappen Dialoge voll ausschöpft) nur lästig.

Dieser mit großen Zahlen, also auch großen Verlustzahlen operierende Militär hat wenig Sinn für Einzelempfindlichkeiten. Ein ganzes Regiment Supersoldaten wäre eine strategische Größe, ein einzelner Recke ist nur ein Störenfried. Steve erfährt erneut Zurückweisung. Ab diesem Moment läuft das Drehbuch zu großer Form auf. Es greift nämlich die reale Mediengeschichte des Captain America, seine immer auch ein wenig lächerliche Propagandakarriere, auf.

Einsatz an der Heimatfront

Steve Rogers wird an der Heimatfront eingesetzt, als Entertainer einer Wandershow zur Absatzförderung von Kriegsanleihen, wird Figur eines Comics und linkischer Schauspieler in einem Kinovorprogramm-Serial. Das ist spitz satirisch und erinnert in seiner Kritik an falschem Heimatfront-Optimismus an Clint Eastwoods "Flags Of Our Fathers".

Als Captain America in seinem läppischen Kostümchen erstmals zur Truppenbetreuung an der Front eingesetzt wird, haben die realen GIs nur Verachtung für ihn übrig. Klugerweise lässt Hollywood Captain America dann zwar doch noch ins Gefecht ziehen, aber nicht allzu nahe an die historische Wirklichkeit rücken. Der Captain bekriegt den Superschurken Red Skull und dessen Elitetruppe, die an ihren Naziherren vorbei eigene Weltherrschaftspläne schmieden.

Circensische Klopperei

Das Wunderwaffendesign integriert zwar clever reale Projekte deutscher Ingenieure aus der letzten Kriegsphase, das Drehbuch aber entschwebt in jene Sphäre eskapistischer Abenteuerfabelei, in der sich auch die "Indiana Jones"-Filme tummeln. Im letzten Drittel wird "Captain America" weniger ironisch, will als teenietaugliche Comicverfilmung funktionieren, als circensische Klopperei, gleitet aber niemals in kreischende Hektik ab.

Captain America wird auch im angekündigten "Avengers"-Film eine große Rolle spielen – für den liegt die Messlatte nun wieder sehr hoch.

(RP)
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