Kino-Kritik Der Tintenfisch und der Wal: Nach den besten Jahren

Hollywood-Kino, das bedeutet häufig Klotzen statt Kleckern. Doch fernab von krachigen Actionfilmen und gepushten Blockbustern existiert Einiges, das sich anzuschauen lohnt. Jüngstes Beispiel ist ein leiser Film über das Auseinanderdriften einer Familie. Große Schauspieler mimen echte Menschen und sorgen für Gänsehaut ganz ohne tickende Bomben.

 Bernard (Jeff Daniels) und seine Frau Joan (Laura Linney) Berkman haben sich nichts mehr zu sagen.

Bernard (Jeff Daniels) und seine Frau Joan (Laura Linney) Berkman haben sich nichts mehr zu sagen.

Foto: ddp, ddp

Bernard Berkman (Jeff Daniels) hat die beste Zeit als Schriftsteller hinter sich und schlägt sich als Dozent durch. Der beginnende literarische Erfolg seiner Frau Joan (Laura Linney) verschärft die Spannungen in der Ehe. Die Anfangsszene zeigt den egozentrischen Bernard, der beim ungleichen Tennisdoppel mit den beiden Söhnen verbissen um jeden Punkt kämpft, bis er Joan mit einem harten Ball trifft und diese das Spiel abbricht.

Nach der Trennung werden der 16 Jahre alte Walt (Jesse Eisenberg) und der vier Jahre jüngere Frank (Owen Kline, der Sohn von Kevin Kline) tageweise zwischen den Eltern herumgereicht. Walt steht ganz unter dem Einfluss seines Vaters, Frank neigt der Mutter zu.

Keine Karikaturen

Baumbach, der auch das Drehbuch schrieb, findet die Balance zwischen tragischen und komischen Momenten. Er glorifiziert nicht die sich emanzipierende Joan, die eine Affäre mit dem Tennislehrer von Frank (William Baldwin) beginnt, noch karikiert er Bernard, der sich an eine hübsche Studentin ranmacht. Jeff Daniels gelingt es, dem Egomanen auch auch sympathische Züge zu verleihen.

Ohne Pathos und mit Humor zeigt Baumbach, wie die Scheidung den beiden Söhnen zu schaffen macht. Frank trinkt Bier und masturbiert in der Schulbibliothek, Walt schlägt sich von Vater Bernard beraten mit der ersten Beziehung rum. "Sei bloß nicht schwierig", hält er seiner Freundin Sophie in einem Streit vor - ein Echo seines Vaters, denn Bernard schob das Scheitern seiner Beziehungen den schwierigen Frauen zu. Beim Schulfest gibt er "Hey You" von Pink Floyd als eigene Komposition aus, was natürlich auffliegt - der Song gibt den perfekten Soundtrack für den in den 80er Jahren spielenden Film ab.

Man spürt in jeder der 81 kurzweiligen Minuten: Baumbach weiß, wovon er erzählt. Er verarbeitete in dem in Brooklyn angesiedelten Streifen autobiografische Elemente: Er wuchs dort auf, seine Eltern ließen sich scheiden. Das Haus, in dem ein Großteil der Handlung angesiedelt ist, stellte ein Kindheitsfreund des Regisseurs zur Verfügung. Zudem ließ Baumbach Jeff Daniels die Kleidung seines Vaters tragen. Dennoch sei sehr viel frei erfunden.

Die körnigen Bilder - der Film wurde mit geringem Budget in nur 23 Tagen mit Handkamera auf Super 16 gedreht - unterstreichen das Gefühl der Authentizität. "Der Tintenfisch und der Wal" - der Titel verweist auf eine Schlüsselszene im Naturkundemuseum - erhielt auf dem Sundance-Festival die Preise für Regie und Drehbuch und wurde völlig zu Recht ein Überraschungserfolg in den USA.

(ap)
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