"Der Babadook" im Kino Klüger gruseln

Düsseldorf · Horror mit Anspruch: Die australische Regisseurin Jennifer Kent lotet in ihrem virtuos inszenierten Debütfilm "Der Babadook" die Wahnwelt einer überforderten Mutter aus. Die Produktion sprengt die Grenzen des Genres.

"Der Babadook": Smarter Horrorfilm von Jennifer Kent
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Smarter Horror in "Der Babadook"

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Dieser Frau ist das Schlimmste passiert. Amelia war hochschwanger, sie lag in den Wehen, ihr Mann brachte sie in die Klinik, und auf dem Weg stieß ihr Wagen mit einem anderen zusammen. Der werdende Vater starb, seine Frau überlebte. Kurz darauf brachte sie das gemeinsame Kind zur Welt, einen Jungen. Sein Name ist Sam.

Wie fühlt sich das Leben nach solch einem Ereignis an? Es ist der Horror, und der Film "Der Babadook" erzählt davon. Die Produktion ist das Erstlingswerk der australischen Regisseurin Jennifer Kent. Sie inszeniert ein Grusel-Drama, das zwar Genre-Klassiker wie "Shining" und "Rosemary's Baby" zitiert, dabei aber durchaus originell ist. Beim Sundance-Festival im vergangenen Jahr waren die Kritiker aus dem Häuschen, die "New York Times" wählte den "Babadook" zum Debüt des Jahres, und William Friedkin, Regisseur von "Der Exorzist", erteilte via Twitter seinen Ritterschlag: "Ich habe noch nie einen gruseligeren Film gesehen."

Die Geschichte setzt sieben Jahre nach dem Unfall ein. Sam und Amelia leben in einem Haus, in das kaum Licht fällt. Im Keller lagern die Habseligkeiten des toten Vaters, seine Schallplatten und Anzüge, und diese Dinge ziehen die beiden Hinterbliebenen hinunter, hinab in die Einsamkeit. Sam ist verhaltensauffällig, er schreit viel, ist jähzornig, wird von Ängsten geplagt. Obwohl er vor dem Zubettgehen stets in den Kleiderschrank schaut, ob sich Monster darin verstecken, träumt er schlecht, findet keine Ruhe. Amelia muss bei ihm wachen, er schmiegt sich an die Mutter, würgt sie im Schlaf, sie rückt von ihm weg.

Eines Abends lesen die beiden ein Kinderbuch, von dem sie nicht wissen, woher es kommt. Es lag einfach im Regal, es heißt "Der Babadook". Es geht um ein Wesen, das aussieht wie eine Mischung aus Nosferatu und der Vogelscheuche im "Zauberer von Oz". Es frisst Menschen, und wenn es kommt, klopft es drei Mal an die Haustür. Amelia wird allmählich wahnsinnig vor Angst - Angst ums Kind, Angst vor der Angst des Kindes und wohl auch Angst vor dem Kind selbst. Die Mutter zerreißt das Buch, aber irgendwer klebt es; dann liegt es wieder da und macht die Angst noch größer.

Jennifer Kent inszeniert mit großer Virtuosität. Das Haus mutet wie eine Puppenstube an, die Wände scheinen näher zu kommen und das wenige Licht aus den Räumen zu drücken. Kent schneidet kurze Nah- und Detailaufnahmen aneinander und erhöht so die Spannung. Dazu spielt sie Geräusche ein, das Sounddesign des Horrors: Quietschen, Kratzen, Zähneknirschen.

"Der Babadook" sprengt indes die Grenzen des Genres, denn die Regisseurin, die bei Lars von Trier hospitierte, als der "Dogville" drehte, will mehr. Sie reflektiert das Drama der überforderten Mutter. Und sie bricht ein Tabu: Sie beschreibt Mutterschaft nicht als die reine Freude und das Höchste der Gefühle. Sondern als Belastung - für eine seelisch versehrte Frau zumal. Amelia wird immer müder und trauriger, sie ergibt sich der Angst und also dem Bösen. Als alle Tränen geweint sind, fließt Blut, und irgendwann klopft es tatsächlich. So beginnt eine Höllenfahrt, die in den hintersten Winkel des Kellers führen wird.

Essie Davis ist als Mutter überragend. Zunächst gibt sie sich elfengleich, sanft und von Vergeblichkeit umflort. Alsbald verwandelt sie sich in eine Hexe, die nicht mehr bergen mag, sondern peinigen will. Ebenso großartig ist Noah Wiseman als Sohn. Man kann seinem Sam beim Erwachsenwerden zusehen. Er erinnert die Mutter daran, dass in einer Familie der eine für den anderen sorgt, und wenn der Stärkere ausfällt, muss ein anderer einspringen. Sam hält die Mutter wach, hegt den Glutkern dessen, was man Familie nennt, und dann kämpfen sie zusammen gegen den "Babadook".

Das ist ein faszinierender, viel stärker im Bauch schmerzender als an den Nerven zerrender Film. Er erzählt vom Privaten und davon, wie das Zuhause zum Ort der Furcht werden kann. Realismus wäre Kent zu billig gewesen. Sie wählt die ästhetisierte Welt des Horrors, um von der Wirklichkeit zu erzählen. So gerät die Botschaft besonders eindringlich: Ihr müsst aufeinander aufpassen.

(RP)
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