"Nanga Parbat" erstmals im Free-TV Das Drama der Messner-Brüder

Düsseldorf · 1970 bezwangen Reinhold und Günther Messner den Berg "Nanga Parbat" im Himalaya, doch Günther starb. Seither gibt es Streit über Reinhold Messners Rolle während der tragischen Bergtour. Am Mittwoch läuft das Epos von Joseph Vilsmaier zum ersten Mal im Free-TV. Die wichtigste Frage stellt der Film leider nicht.

Szenen aus Nanga Parbat
19 Bilder

Szenen aus Nanga Parbat

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Steile Wände müssen die beiden Jungen einfach hinauf. Allem Vertikalen, Unüberwindbaren, Schwindelerregenden können sie nicht widerstehen. Darum gehen Reinhold und Günther nicht über die Treppe zum Kirchhof wie alle anderen, sondern klettern die Felsmauer hinauf. Senkrecht. Ohne Sicherung. Ausgetretene Lederstiefelchen an den Füßen.

Sie sind ja nur zwei Kinder, zwei Brüder, die sich messen wollen. Ein paar Jahre später ist es die Rupalwand, an der sie ihr Können beweisen, die gefährlichste Kletterstrecke der Welt. Vor ihnen hat noch keiner diesen Weg hinauf auf den Nanga Parbat, den "nackten Berg" bezwungen. 1970 schaffen die Brüder es. Doch zurück kehrt nur Reinhold Messner.

Jospeh Vilsmaier hat die Tragödie der Bergsteiger-Brüder im Himalaya vor zwei Jahren großm für das Kino verfilmt und sich für eine Sicht entschieden: die von Reinhold Messner. Der erfolgreichste Bergsteiger der Welt hat den Münchner Filmemacher beraten, hat die Dreharbeiten begleitet, hat ihm berichtet, wie es war. Aus seiner Perspektive. So erzählt Vilsmaier nun, wie Reinhold Messner am 27. Juni 1970 allein aufbricht aus dem Basislager, wie sein Bruder ihm entgegen der Absprache nachklettert, zu schnell, ohne Seile.

Plötzlich kam die Höhenkrankheit

Wie beide den Aufstieg wagen, ohne Sicherung. Wie sie auf dem Gipfel ankommen, beschließen, auf der anderen Seite abzusteigen, die Diamirwand hinunter, wie bei Günther die Kräfte schwinden, sich Symptome der Höhenkrankheit bemerkbar machen, wie Reinhold vorgeht, um einen Weg hinunter zu bahnen und Günther plötzlich verschwunden ist in der menschenfeindlichen Schneelandschaft. Und verschwunden bleibt.

Es gibt andere Darstellungen der Geschichte. Expeditionsmitglied Hans Saler etwa hat seine Zweifel an Messners Version in seinem Buch "Zwischen Licht und Schatten" ausgebreitet. Messner hat sich dagegen gewehrt. Es gab unschöne Auseinandersetzungen, Prozesse, und nun brechen die alten Wunden wieder auf.

Kurz vor dem Filmstart haben die beiden Expeditionsteilnehmer Max von Kienlin und Gerhard Baur kritisiert, wie die Mannschaft im Film gezeichnet wird — als Gruppe Egomanen, die einander übertrumpfen wollen und zu wenig unternehmen, um die Messner-Brüder zu finden. Vor allem Expeditionsleiter Karl Herligkoffer, der inzwischen verstorben ist, wird als Pedant und Fanatiker gezeichnet, als ein "Berghitler", wie Kienlin in einem Interview bemerkte, doch sei er so nicht gewesen.

Messners extreme Karriere spielt keine Rolle

Vilsmair hat auf die Angriffe brummig reagiert wie es seine Art ist. Er habe "keinen Bock", die "alten Kammellen von 18 egoistischen Männern auszupacken", erwiderte er seinen Kritikern. Tatsächlich wird man nie sicher wissen, was am Nanga Parbat geschah. Und einem Bergsteiger, der auf tragische Weise seinen Bruder verliert, gebührt zunächst einmal Mitgefühl. Ihm falschen Ehrgeiz zu unterstellen, ist böswillig.

Doch genauso böswillig ist es, die anderen Mitglieder der Expedition so zu zeichnen, als sei ihnen das Schicksal der Messners gleichgültig gewesen. Dabei können Extrem-Expeditionen wie die auf den Nanga Parbat nur als Teamleistung gelingen. Und zu diesem Team gehören auch die namenlosen Hochgebirgsträger aus dem Himalaya. Im Film wird das immerhin angedeutet.

Doch Messners weiteres Extrembergsteigerleben spielt bei Vilsmaier keine Rolle, dabei wirkt seine Karriere wie ein Reflex auf die Tragödie im Himalaya. Mehrfach ist Reinhold Messner an den Nanga Parbat zurückgekehrt, 1978 bezwang er den Berg im Alleingang. Als erster Mensch hat er alle 14 Achttausender der Erde bestiegen, die Antarktis und die Wüste Gobi durchquert. Das sind extreme, zum Teil auch extrem einsame Leistungen. Leistungen eines Übriggebliebenen. Und es hätte ein spannender Film werden können, hätte Vilsmaier danach gefragt, ob Schuld, Trauer oder unfasslicher Sportsgeist Messner antreiben.

Doch Vilsmaier konzentriert sich lieber nur auf das Drama im Berg und schildert brav den Hergang aus Messner-Sicht. So ist sein "Nanga Parbat" ein biederer Bergfilm geworden, der nicht einmal durch ungewöhnliche Aufnahmen des Himalaya überrascht.

Blasse Besetzung

Dazu ist Reinhold Messner mit Florian Stetter blass besetzt. Von der Ausstrahlung Messners, seiner ungezähmten Willensstärke, Sturheit, seinem Mut, ist wenig zu spüren. Dazu erzählt Vilsmaier in vorhersehbaren Bildern aus der Kindheit der Brüder: Natürlich zeigt er die familiäre Enge, der die beiden entklettern wollten.

Der Vater ist hart, die Mutter ängstlich und die Kinderschar am Esstisch groß. Genauso stellt man sich eine karge Jugend vor. Doch was genau den Ehrgeiz in den Jungen geweckt hat, sich ausgerechnet in den Bergen beweisen zu wollen, bleibt unklar.

Vilsmaier ist eben kein psychologischer Filmemacher, sondern ein Handwerker, der eine solide Arbeit abliefert. Doch das ist unbefriedigend, wenn eine Geschichte so viele Fragen aufwirft wie die der Messner-Brüder. Und dass Vilsmaier, der in "Schlafes Bruder" die Berge immerhin schon einmal zur surrealen Kulisse gemacht hat, zum Genre Bergsfilm so wenig Aufregendes einfällt, ist erstaunlich.

Dieser Film gibt keine neuen Antworten im Fall Messner. Er stellt vorsichtshalber nicht einmal Fragen.

(RP/csi/das/rm)
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