Zeitreise Thriller in die Vergangenheit Butterfly Effect: Filmische Chaos-Theorie

Dass schon der Flügelschlag eines Schmetterlings starke Auswirkungen auf das Wetter der anderen Kontinenten haben könne, behauptet die populärwissenschaftliche Chaos-Theorie. Psychologie-Student Evan (Ashton Kutcher) macht im Mystery-Thriller "Butterfly Effect" einige chaotische Zeitreisen durch.

Eigentlich aber handelt es sich um ein Wirkung-Ursache-Schema, denn die Zeitachse wird rückwärts beschritten: mit Zeitreisen in die Vergangenheit, die die Gegenwart korrigieren. Wo jedoch andere Zeitreise-Thriller wie etwa "Frequency", "Zurück in die Zukunft" und "12 Monkeys" die grauen Zellen des Zuschauers ins Schwitzen brachten, so bleibt hier alles so banal wie etwa ein Ratgeber à la "Wie Sie in 10 Tagen Ihr Leben verändern".

Student Evans, seit frühester Kindheit von seltsamen Gedächtnisausfällen geplagt, findet zufällig sein altes Tagebuch, das er als kleiner Junge auf Rat seines Psychiaters verfasste. Die Aufzeichnungen entpuppen sich als Wurmloch in die Vergangenheit: Evan findet sich in seinem Kinderkörper wieder und erlebt erneut die Traumata, die er längst verdrängt hatte - etwa jenen Moment, in dem sich der kleine Evan auf Geheiß eines Kinderpornofilmers ausziehen sollte - nun aber wehrt sich der Junge lautstark und erfolgreich gegen den Kinderschänder, der überdies der Vater seiner heimlich geliebten Jugendfreundin Kayleigh ist.

Damit greift Evan rückwirkend in die Vergangenheit ein. Schwupp zurückgekehrt ins Heute, hat sich die grüblerische Existenz des Studenten in ein scheinbar perfektes Dasein verwandelt. Er ist nun ein Sonnyboy und verlobt mit seiner großen Liebe Kayleigh, die - zuvor eine depressive Kellnerin - jetzt das angesagteste Mädchen des College ist.

Doch auch diese Lebensversion hält neue Fallen bereit, in die Evan bereitwillig hineintappt. Zur Feinjustierung der Gegenwart muss der Arme noch einige Male sein magisches Tagebuch aufschlagen und sich dem Startgerüttel dieser Zeitmaschine aussetzen.

Im Zickzackkurs durchs Schicksal

Ashton Kutcher, Lebenspartner von Demi Moore, lässt dabei seine dichten Wimpern flattern und sieht überhaupt in jeder Katastrophe gut aus. Allerdings ist er ein ebenso begnadeter Nicht-Schauspieler wie Keanu Reeves. Sein holpriges Chargieren passt zum Film, der insgesamt den Eindruck einer grobgeschnitzten Soap-Opera macht. Mit Soziologie light werden Schicksalsschläge aufeinander getürmt, wie man sie sonst nur in einer lindenstraßen-langen Fernsehserie zu sehen bekommt.

Evans und seine Freunde, gespielt von hoffnungsvollen Jungdarstellern, erleben allerhand auf ihrem Zickzackkurs durchs Schicksal: Kinderpornos, Missbrauch, Selbstmord, Mord, Gefängnis, Irrenanstalt, Prostitution, Drogen, Verkrüppelung und Lungenkrebs. Denn Evans Mutter hat aus Kummer über ihren Sohn, der in einer bestimmten Phase dieses Jahrmarkts der Schicksale verkrüppelt wird, mit dem Rauchen angefangen - was im einfältigen Determinismus des Films direkt zur Metastase führt.

Quod erat demonstrandum: Eine Szene an ihrem Krankenbett erinnert - wie viele andere Momente - in ihrer unfreiwilligen Komik an die morbiden Witze der Monty Pythons. Mögen die Details auch unterbelichtet sein, die Gedankenspiele der Drehbuchautoren zunehmend konfus und fragmentarisch, so ist dieses Karussell der Möglichkeiten immerhin recht kurzweilig.

Und angesichts vorausgegangener Biederkeiten überrascht auch der forsche, unsentimentale Schluss. Natürlich lässt sich die Trial-and-Error-Methode der Daseinsreparatur ins Unendliche weiterspinnen. Es heißt, dass in mehreren Szenen, die der Schere zum Opfer fielen, die Drehbuchautoren ihrer Fantasie die Zügel schießen lassen: So soll es eine Schlussversion geben, in der sich Evan zurückbeamt ins Embryo-Stadium und sich vorausschauend mit der Nabelschnur erwürgt. Genau dieser schwarze Humor fehlt dem Film.

(ap)
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