Kino-Kritik Beschwingt durch Paris

Düsseldorf (RP). Am schönsten geriet die Bäckersfrau. Wie sie mit unermüdlicher Boshaftigkeit ihr Personal quält, aber sofort ein strahlendes Lächeln anknipst, wenn ein Kunde den Laden betritt; wie sie mit viel Charme und unverhülltem Rassismus über ihre Suche nach einer neuen Verkäuferin plaudert und damit erneut die engelhafte Geduld ihrer nordafrikanischen Angestellten auf eine harte Probe stellt – daraus machte Karin Viard eine glänzende Skizze kleinbürgerlicher, stets auf adrette Fassade bedachter Gehässigkeit.

Szenen aus "So ist Paris"
11 Bilder

Szenen aus "So ist Paris"

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Düsseldorf (RP). Am schönsten geriet die Bäckersfrau. Wie sie mit unermüdlicher Boshaftigkeit ihr Personal quält, aber sofort ein strahlendes Lächeln anknipst, wenn ein Kunde den Laden betritt; wie sie mit viel Charme und unverhülltem Rassismus über ihre Suche nach einer neuen Verkäuferin plaudert und damit erneut die engelhafte Geduld ihrer nordafrikanischen Angestellten auf eine harte Probe stellt — daraus machte Karin Viard eine glänzende Skizze kleinbürgerlicher, stets auf adrette Fassade bedachter Gehässigkeit.

Doch für die Ausmalung dieser Skizze zum Porträt bleibt keine Zeit in einem Film,der mit dem Anspruch antritt, eine ganze Metropole zu porträtieren: "Paris" heißt er auftrumpfend schlicht im Original. Der deutsche Verleih hat daraus "So ist Paris" gemacht, und das klingt angemessener, weil nach einem Hauch von Ironie.

Cédric Klapisch, der Regisseur des Erfolgsfilms "L‘auberge Espagnole — Barcelona für ein Jahr", eröffnet mit einer melodramatisch düsteren Figur seinen Personenreigen: mit Pierre, einem totkranken Tänzer, der auf ein Spenderherz warten muss, mit Abschiedswehmut aus seiner Mansardenwohnung über die Dächer von Paris blickt und sich in eine schöne Nachbarin verliebt.

Doch die hat keine Zeit für ihn, weil sie gerade eine Romanze mit ihrem Geschichtsprofessor beginnt. Fabrice Luchini spielt dieses Muster eines lüsternen Intellektuellen mit soviel Brillanz, dass er mühelos aus seiner Rolle heraustreten kann mit der Zwischenfrage, ob diese stürmische Affäre nichts weiter sei als ein Klischee.

In einem beschwingt gefilmten, elegant montierten Kaleidoskop von vertrauten und weniger geläufigen Pariser Stadtkulissen zwischen Marais und Belleville versteckt Klapisch die Klischeehaftigkeit eines sozialen Querschnitts, der mühelos von einer Modenschau in die Markthallen von Rungis führt und Mannequins den rauen Charme proletarisch selbstbewusster Gemüsehändler ganz bezaubernd finden lässt.

Ausgerechnet der Star in diesem Ensemble wird zur erdigen, alle Klischees vermeidenden Figur: Juliette Binoche spielt voller hinreißender Facetten eine Alleinerziehende, die auch in ihrem Beruf als Sozialhelferin mit schmerzhaften Brüchen in diesem fröhlichen Stadtbild konfrontiert wird. Sie kämpft sich durch alle Stadien einer überarbeiteten Frau, die sich dennoch zu Einlagen prickelnder Erotik aufschwingen kann.

Klapisch gelang eine erfrischende Neuauflage des immergrünen Themas "Unter den Dächern von Paris". Sogar dramaturgisch Unbeholfenes wie die zaghaften Hinweise auf die düstere Welt illegaler Einwanderer bringt ihn kaum zum Stolpern.

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