Film-Kritik Bergkristall: Bewegende Literaurverfilmung

Adalbert Stifters 50-seitige Novelle "Bergkristall" gehört zu den Kostbarkeiten deutscher Literatur. Joseph Vilsmaier hat sich dem Schatz bei seiner gleichnamigen Verfilmung mit Liebe und Sorgfalt gewidmet. Ab 18. November ist deshalb im Kino ein Drama zu sehen, das fast alle Qualitäten eines guten Heimatfilms aufweist - kernige Charaktere, grandiose Landschaft und dramatische Konflikte.

Bergkristall
12 Bilder

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Foto: Concorde

Vilsmaier und sein Drehbuchautor Klaus Richter halten sich weitgehend an die Novelle, nehmen aber auch Änderungen vor. Erzählt wird von dem Schuster Sebastian, seiner schönen Frau Susanne und ihren beiden Kindern Sebastian und Sanna. Sie leben in dem Dörfchen Gschaid "in den hohen Gebirgen unseres Vaterlandes" und haben dort keinen leichten Stand. Denn Susanne stammt aus dem benachbarten, aber mit Gschaid verfeindeten reicheren Ort Millsdorf. Vor 150 Jahren - die Novelle wurde 1853 von Stifter veröffentlicht - konnte sich Abneigung gegen Fremde und Fremdes durchaus noch in so engem Rahmen entfalten.

Besonders die Kinder leiden darunter, wie sehr ihre Mutter abgelehnt wird. Doch sie halten zu ihr auch nach deren Rückkehr nach Millsdorf, wo die Großmutter einen Schlaganfall erlitten hat. Immer wieder wandern Sebastian und seine kleine Schwester den beschwerlichen Berg- und Talweg zwischen den Dörfern hin und her. Auch am Heiligen Abend besuchen die Geschwister Mutter und Großeltern zu deren Freude. Sie bekommen Geschenke und brechen dann zeitig auf, um noch vor Einbruch der Dunkelheit zurück beim Vater in Gschaid zu sein. Doch geraten sie in dichten Schneefall und verlieren völlig die Orientierung.

Naturgewalt und Bergschönheit grandios bebildert

"Mit dem Starkmute der Unwissenheit", wie Stifter schreibt, stranden sie im Gletscher des Berges und müssen dort die Nacht verbringen. In einer Eishöhle, unwirklich weiß, geheimnisvoll und gefährlich schön, kämpfen der Junge und das Mädchen gegen den Schlaf und den drohenden Erfrierungstod an. Sie überleben, ziehen bei Tagesanbruch weiter umher und werden schließlich nach einer gemeinsamen Rettungsaktion der Leute von Millsdorf und Gschaid gefunden. Von da an ist die Familie des Schusters endlich akzeptiertes Teil der Dorfgemeinschaft.

Stifter wie Vilsmaier haben die Gewalt der Natur und das Walten menschlichen Schicksals in der Novelle wie im Film zur Einheit verknüpft, der eine mit Worten, der andere mit Bildern. Die meisterhafte Dichte der Vorlage wird im Kino nicht erreicht, dazu hätte es, wenn überhaupt möglich, eines bedeutenderen Regisseurs als Vilsmaiers bedurft. Doch der sympathische Bayer, der seine Ehefrau Dana Vavrova als Susanne und die gemeinsame Tochter Josefina als Sanna im Aufgebot der Darsteller hat, versteht sein Handwerk: "Bergkristall" ist eine sehr solide und liebevolle Verfilmung dieses erzählerischen Juwels.

Der gelernte Kameramann Vilsmaier, der auch diesmal für die Optik zuständig ist, hat am und im Berg faszinierende Naturbilder eingefangen, die manche inszenatorische Hölzernheit vergessen lassen. Es stört nämlich durchaus, dass die Akteure in den Alpen mehr oder weniger Hochdeutsch reden. Aber es wäre wohl noch mehr von Übel gewesen, wenn sie sich eines aufgesetzt klingenden bayerischen Dialekts befleißigt hätten. Vilsmaier hat mit seinen Filmen sehr wechselhaften Erfolg gehabt. "Bergkristall" wird wahrscheinlich keinen Kassenhit landen, Vilsmaier aber Achtung bei all jenen sichern, die noch viele schöne Kinostoffe im Schatzkästlein unseres Kulturerbes vermuten.

(ap)
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